Der neue Bürgermeister, fliegende Fäuste und das Beinahe-Unglück: Mediterrane Wochenschau CCV

Hier kommt der einzige Newsletter, der für euch zum Wahlstudio wird, denn Grado hat einen neuen Bürgermeister! Und das Beinahe-Schiffsunglück vom Mittwoch ist natürlich auch ein Thema. Es gibt viel zu berichten, gehen wir’s an.

Sonntag, 9. Juni

Auf den letzten Metern wurde die Bürgermeisterwahl noch einmal dramatisch: Die Emotionen kochten hoch, in einem der Wahllokale gingen ein Listenkandidat der Linken und ein Listenkandidat der Rechten sogar aufeinander los, weil der Linkskandidat offenbar widerrechtlich im Wahllokal herumlungerte. Fäuste flogen, Polizei und Carabinieri fuhren vor. Auch wenn die Auseinandersetzung mit jeder Erzählung an Pinos Bar-Stammtisch dramatischer wurde (irgendwann war von fliegenden Stühlen und Tritten gegen die Wahlhelferin die Rede, nächste Woche wächst sich das Ganze wahrscheinlich zu einer epischen Massenschlägerei aus) – mediterrane Lässigkeit war jedenfalls nicht am Werk. 

Eines der Wahllokale. Hier blieb es friedlich. Der Palazzo dei Congressi ist ja auch zu hässlich, um irgendwelche Emotionen zu wecken, außer vielleicht depressive Schübe.

Montag, 10. Juni

Da die Auszählung der Europawahl Priorität hatte, sickerten die ersten Zwischenstände erst am Montagnachmittag durch. Hektisch wurde telefoniert und gemailt, denn überall saßen Informanten, die engen Freunden Einschätzungen oder Zwischenergebnisse mitteilten, die natürlich sofort die Runde durch den Ort machten. Und es passierte etwas Merkwürdiges: Die Tageszeitung Il Piccolo meldete im Online-Live-Ticker um 16 Uhr einen faktischen Stimmengleichstand von 36,06 zu 36,06 Prozent zwischen Kandidat Corbatto und Kandidat Marin (Kandidat Bredeon war bereits abgeschlagen), doch zwei Stunden später war der Sieg Corbattos offiziell – sogar mit 50,14 Prozent, also knapper absoluter Mehrheit, dabei hätte eine einfache Mehrheit gereicht.

Das ist der Neue. Meist schaut er viel freundlicher.

Erneut haben sich die Rechten wie schon 2016 mit dem Aufstellen zweier Kandidaten selbst geschlagen, und das, nachdem sie ihren eigenen Bürgermeister gestürzt hatten. In Italien gibt es für solche Eigentore das schöne Sprichwort pisciato contro il vento – gegen den Wind gepinkelt.

Wie auch immer: Mein Nachbar Giuseppe Corbatto ist Bürgermeister. Wir treffen uns jeden Morgen im Aufzug oder beim Gassigehen, auch unsere Hunde Ugo und Luna verstehen sich gut. Ich bin also ganz nah an den Schalthebeln der Macht. Kann für unsere famiglia ja nur gut sein!

Dienstag, 11. Juni

Grado ist im Guinness Buch der Rekorde! Ein besonders bizarrer Weltrekordversuch stieg heute am Hauptstrand – möglichst viele Menschen sollten sich als »Sonnen« verkleiden. Damit sollte ein Rekord gebrochen werden, der im April in Kanada von 300 Personen aufgestellt worden war. Man verteilte Kostüme, lud Influencer ein (darunter Aurora Ramazzotti, die Tochter Michelle Hunzikers und Eros Ramazzottis), und ein offizieller Guinness-Juror in Anzug und mit Aktentasche verkündete die frohe Botschaft: 313 Sonnen, Weltrekord.

So viele Sonnen! Immerhin: Noch eine Stunde zuvor hatte es heftig geregnet.

Skeptischer Kommentar einer Gradeserin: »Was mag das alles gekostet haben?«

Dass solche erfundenen Events es ins Guinness Buch schaffen, wundert mich immer wieder. Ich würde auch gern einen Weltrekord anmelden: Menschen mit bunten Hemden, die auf einem Bein stehen und eines meiner Bücher in der Hand halten. Derzeitiger Rekord: zwei Personen, meine Tochter und ich.

Mittwoch, 12. Juni

Ich hatte es ja schon vor einigen Wochen hier geschrieben: Ein Schiff, das sich Audace nennt (»kühn, wagemutig«), erweckt nicht gerade Vertrauen. Und heute wäre es beinahe zu einer echten Katastrophe bekommen, denn am Vormittag bekam das neue Schiff auf dem Weg von Grado nach Triest Schieflage und geriet in Seenot.

Hier nähert sich eines der Rettungsschiffe der Audace, deren Bug bedenklich tief liegt.

Dass etwas nicht stimmte, merkten wir in Grado rasch, denn überall heulten Sirenen, und Hubschrauber kreisten tief über der Insel.

Tatsächlich mussten alle 76 Passagiere (darunter eine Gruppe bayerischer Fahrradtouristen) von Bord evakuiert werden; ein Video der Rettungsaktion seht ihr hier. Die Passagiere wurden mit der Küstenwache nach Grado zurückgebracht, während die Besatzung der Audace an Bord blieb und das Boot mühsam nach San Giorgio manövrierte, wo es aufgedockt wurde und nun untersucht wird. Alles ging glimpflich aus, und die Passagiere werden daheim etwas zu erzählen haben. Ich gehe nicht davon aus, dass die Audace so bald wieder in Betrieb genommen wird; damit ist die beliebte Verbindung Grado-Triest erneut unterbrochen.

Das Thema wird uns noch eine Weile beschäftigen (und was für ein Start für den neuen Bürgermeister!), nächste Woche berichte ich mehr.

Donnerstag, 13. Juni

Widmen wir uns angenehmeren Themen. Eisvizeweltmeister Antoniazzi hat zur ersten Ferienwoche ein besonderes Eis kreiert.

»Schluss mit Hausaufgaben«!

Und noch eine Neuheit aus Grado: Im Bistro Mafalda (direkt am großen Kreisverkehr) gibt es köstliches Brot in allen Varianten, natürlich auch aus Vollkorn.

Die Frühstückskarte ist üppig, und am Abend gibt es kreative Häppchen. Die Lage ist nicht so richtig romantisch, aber wir waren in den letzten Tagen ein paar Mal da und angenehm überrascht.

Von dem neuen Sushi-Restaurant direkt am Hafen, das diese Woche eröffnet hat, erzähle ich euch nächstes Mal.

Euch allen ein schönes Wochenende, bis bald in Italien! 

Die Buchhandlung Heyn in Klagenfurt stellt mein neues Buch besonders schön vor – danke dafür! 

Stefan Maiwald bleibt für mich unbestritten einer der besten Autoren, wenn es um leichtfüßige, humorvolle, aber auch mit Kultur bepackte Italienbücher geht. Sein Schreibstil gepaart mit jahrelangen Erfahrungswerten in Bella Italia nehmen einen sofort mit auf die Reise in den Süden. Nun aber hat er einen Spagat gewagt, der ihm wiederum grandios gelungen ist! «Italien – unsere große Liebe» vereint historische Anekdoten, wahre Kindheitserinnerungen, schmackhafte Rezepte und hüllt uns mit Geborgenheit ein. Meine Augen füllten sich mit ein paar Tränchen, als ich die schlicht wunderschönen Bilder italienischer Orte und Strände betrachtete. Die Portion Saltimbocca („in den Mund springen“) am Abend hat meine Reise in die Vergangenheit gänzlich abgerundet. Für mich stellt dieses Buch ein absolutes Muss für Italienfans dar: egal, ob bereits von Klein auf oder gerade erst auf den Geschmack gekommen … 
Und wenn Sie sich hier noch nicht dazuzählen würden – nach dieser Lektüre werden Sie es bestimmt! 🙂
– Corinna Moser

Ach ja, es kamen Fragen zum Fotowettbewerb auf. Fotografiert das Buch einfach in stimmungsvoller Umgebung oder, so wie ich, mit der Schwiegermutter, die kritisch die Rezepte beäugt. Das schönste Bild bekommt eine Magnumflasche meines Lieblingsproseccos Roccat – ihr kennt den Winzer aus den Spaghetti vongole-Tagebüchern. Und ein signiertes Buch packe ich auch noch drauf.

Auf Instagram findet ihr mich unter @buch_und_wein. In der Story poste ich jeden Tag eine Kleinigkeit aus Grado (oder von dort, wo ich gerade unterwegs bin).

Die Mediterrane Wochenschau von letzter Woche mit der nie entdeckten Leiche lest ihr hier.

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Die Lesetermine
19. Juni: St. Veit, Buchhandlung Besold
21. Juni: Aperitivo mit dem Autor, Grado, 11 Uhr, Strandkiosk Al Faro
19. September: Westerwälder Literaturtage, Birkenhof-Brennerei, Nistertal
20. September: Bremen, Buchhandlung Lesumer Lesezeit
21. September: Osnabrück, Altstädter Bücherstuben
27. September: Klagenfurt, Buchhandlung Heyn

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