Der heilige Schlüsselfinder, der dreiste Reeder, Party bei Laura: Mediterrane Wochenschau CCVI

Hier kommt der einzige Newsletter, der eine erfreuliche Nachricht verkündet, bevor wir uns gemeinsam in Seenot begeben: Der Fotowettbewerb zu »Meine Bar in Italien« ist beendet! Das sind die beiden Siegerfotos, deren Knipserinnen sich über ein Buchpaket im Wert von je 100 Euro der Styria-Verlagsgruppe freuen können.

Claudia Huber-Völkl, Instagram: @claudia_hubervoelkl
Tina Wadl, Instagram: @tinawadl

Hier noch ein rascher Rückblick auf die beiden Siegerfotos des »Italien Prinzip«-Wettbewerbs (Screenshot aus der damaligen Mediterranen Wochenschau):

Die Wettbewerbe zu den »Spaghetti-vongole-Tagebüchern« und »Italien – unsere Liebe« gehen natürlich weiter, mindestens bis zum Oktober, damit wir die Reisesaison voll ausschöpfen; auch da gibt es feine Sachen zu gewinnen. 

Sonntag, 16. Juni

Gesprächsthema Nummer eins in Grado bleibt das Beinahe-Unglück des Seelenverkäufers »Audace«. Am Samstag gab der Reeder der Tageszeitung Il Piccolo ein selbstbewusstes Interview. Der Kapitän habe überhaupt keine Fehler gemacht, und auch das Schiff sei in hundertprozentigem Bestzustand. Man müsse nur (nur!) herausfinden, wo das Wasser eingedrungen sei. 

Punkt eins: An seiner Stelle würde ich ganz kleine Brötchen backen, bevor die Untersuchungen nicht abgeschlossen sind. Ein wenig Zurückhaltung täte ihm gut – Menschen waren in Lebensgefahr, und dafür, dass alles so glimpflich abgelaufen ist, sollte er lieber ein paar Stoßgebete in den Himmel schicken, statt voreilige Statements rauszuposaunen. 

Punkt zwei: Wenn es weder Schuld des Kapitäns noch Schuld des Schiffs selbst war: Warum genau geriet die »Audace« dann in Seenot? War es der Erdmagnetismus, die kosmische Hintergrundstrahlung, schwarze Magie? Und dass man »nur« das Problem des eintretenden Wassers lösen müsse, ist ja wohl ein ziemlich entscheidendes Detail bei einer zum Schwimmen ausgelegten Konstruktion.

Punkt drei: Ein Deutscher, der an Bord war, berichtete, dass alle 20 E-Bikes der Reisegruppe am Bug geparkt wurden, und E-Bikes sind ja deutlich schwerer als normale Räder. Hat das möglicherweise für ein Absenken des Bugs gesorgt? Dann wäre diese ungleichmäßige Lagerung natürlich Schuld der Besatzung (und damit des Kapitäns). Und die Frage muss erlaubt sein, ob ein Boot, das für mehr als 100 Passagiere zugelassen ist, wirklich durch 20 E-Bikes in Schieflage gebracht sein kann.

Beenden wir das unschöne Thema mit einer sehr italienischen Note: Als die Nachricht von dem Beinahe-Unglück die Runde machte, lieferten gleich drei Restaurants Pizzen, Häppchen und Getränke für die Geretteten und alle Helfer an die Hafenmole. Eine feine Geste.

Montag, 17. Juni

Kurz zum Fußball, weil gerade Europameisterschaft ist: Der FC Venezia ist erneut in die Serie A aufgestiegen, und so feierte die Mannschaft mit den Fans:

Das kann kein Verein der Welt besser. (Foto: Fabio Vianello.)

Dienstag, 18. Juni

Ein Leser hielt mich auf der Straße an, und ausnahmsweise wollte er mich nicht auf ein Getränk einladen. Er habe in der letzten Woche nach dem Genuss von zu viel Wein seine Brille verloren, er wisse nicht mehr wo; ob es denn in Grado ein Fundbüro gebe?

Ich schickte ihn zum Rathaus, wurde am Abend aber in Pinos Bar belehrt, dass dafür die vigili urbani zuständig sein. Noch besser: Der Leser solle doch in die Kirche gehen. Tatsächlich befindet sich vorn links hinter dem Eingang ein inoffizielles Fundbüro, wo insbesondere die älteren Gradeser gefundene Schlüssel und Brillen abgeben, und zwar unter der Statue des Heiligen Antonius, dem Schutzpatron aller Schusseligen. 

Grados inoffizielles Fundbüro.

Der Heilige wird bei Unfruchtbarkeit, Fieber, Pest, Schiffbruch (ah, wie passend!), Kriegsnöten, Viehkrankheiten und eben auch für das Wiederauffinden verlorener Gegenstände angerufen, und seinem Wikipedia-Eintrag entnehme ich, dass er in Bayern deswegen »Schlampertoni« heißt. Jedenfalls: ein schöner Brauch.

Mittwoch, 19. Juni

Party am Strandkiosk Al Faro, denn Lauras Mama feierte einen runden Geburtstag. Ein wunderbares Fest, danke für die Einladung! Das Motto hieß »Siebzigerjahre«, und wie bei allen Siebzigerjahre-Partys wird sich hippiesk verkleidet, mit Blumen im Haar und generell viel Flower-Power. Aber die Hippie-Zeit war in den späten 60ern, wer Mitte der 70er-Jahre noch so herumlief, war einfach auf einem falschen Trip hängengeblieben. Egal, Hauptsache bunt.

Die wahren 1970er. Ob diese Mode noch mal wiederkommt?

Donnerstag, 20. Juni

Endlich Sushi! Das wurde aber auch mal Zeit, dass der Mega-Genusstrend der letzten Jahrzehnte Grado erreicht, denn frischer als hier ist der Fisch ja nun wirklich nicht zu bekommen. Federico, der neue Betreiber des Restaurants Portobuso am Hafen, hat in der letzten Woche konsequent auf Sushi, Sashimi & Co. umgestellt – nicht als einmaliges Event wohlgemerkt, sondern dauerhaft.

Warum der asiatische Koch ein Finnland-Shirt trug, habe ich vergessen zu fragen. Jedenfalls: Ein mutiger Schritt (das Sushi, nicht das Finnland-Shirt), aber es freut uns sehr. Alles war köstlich, und erstaunlicherweise passt der autochthone Friulano-Weißwein hervorragend dazu.

Genießt das Wochenende – und wenn der Urlaub noch ein paar Wochen in der Ferne liegt, dann reist schon einmal virtuell nach Italien.

Auf Instagram findet ihr mich unter @buch_und_wein. In der Story poste ich jeden Tag eine Kleinigkeit aus Grado (oder von dort, wo ich gerade unterwegs bin).

Die Mediterrane Wochenschau von letzter Woche mit den Bürgermeisterwahlen und Bildern der »Audace« in Seenot lest ihr hier.

Zurück zur Startseite mit allen Wochenschauen? Hier entlang.

Die Lesetermine nach der Sommerpause
19. September: Westerwälder Literaturtage, Birkenhof-Brennerei, Nistertal
20. September: Bremen, Buchhandlung Lesumer Lesezeit
21. September: Osnabrück, Altstädter Bücherstuben
27. September: Klagenfurt, Buchhandlung Heyn