Die schmollende Sportzeitung, die aufgeknöpfte Eröffnung, das gelöste Rätsel: Mediterrane Wochenschau CCVIII

Hier kommt der einzige Newsletter, der richtig stolz ist! Denn ich habe nach zwanzig Jahren endlich ein italienisches Kreuzworträtsel komplett lösen können. Hat mich ja auch nur so etwa fünfhundert Versuche gekostet.

Da ist mein Opus Magnum.

Unten rechts musste ich ein bisschen kämpfen. Doch ich rücke Rätseln grundsätzlich mit Kugelschreiber zu Leibe, Bleistift ist feige – man muss eben auch mit den Konsequenzen seiner Entscheidungen leben können. Oder sie kräftig genug ausbessern.

Aber jetzt an den Strand.

Sonntag, 30. Juni

Nach dem arg ruckligen Saisonstart (ihr wisst schon, Prügelei im Wahllokal & Bootsunglück & Feuer im Schwimmbad) geht es jetzt endlich voranDas Schwimmbad hat dieses Wochenende wieder geöffnet, und auch die beliebte Strandbar »Numero Uno« schenkt wieder Wein und Sprizz aus; es gibt Snacks, guten Kaffee aus der Siebträgermaschine und Eis für die Kleinen. Ob man die viereinhalb Bretter der Bar nach dem Hochwasserschaden vom letzten Jahr nicht ein bisschen flotter hätte zusammennageln können, bleibt die Frage – andererseits war das Wetter so mies, dass die Saison ja jetzt erst wirklich beginnt.

Frühmorgens ist es immer am schönsten dort.

Montag, 1. Juli

Die üblichen Debatten werden natürlich dennoch geführt, irgendwas ist ja immer: So gibt es Beschwerden von italienischen Gästen, dass die Strandkassen erst um 9 Uhr öffnen, wo die ersten Sonnenanbeter doch schon um 8 Uhr kommen. Und die Strandkassen sind zwingend erforderlich, um Sonnenschirme zu buchen, jedenfalls für jene, die dies nicht online tun wollen. Und viele Italiener sind nun einmal große Netz-Skeptiker und haben gern den persönlichen Kontakt, halten ein kleines Schwätzchen, erkundigen sich nach dem zu erwartenden Wetter und lassen sich den Versuch nicht nehmen, den Preis vielleicht ein wenig herunterzuhandeln.

Dienstag, 2. Juli

Bleiben wir am Meer. Die Mail der Woche kommt dieses Mal von Hermann G.: »Lese Ihre Post sehr gerne und habe am Strand die kürzeste Zeitspanne des Universums entdeckt. Wollte mich um 20 Cent abbrausen, die Brause war jedoch schon wieder aus, als ich vom Geldeinwurf bis zur etwa zwei Meter entfernten Brause huschte.«
Respekt – das ist wohl die einzige Apparatur, die schneller tickt als eine römische Parkuhr.

Mittwoch, 3. Juli

Die Gazzetta dello Sport hat das frühe Ausscheiden Italiens immer noch nicht verkraftet und schmollt: Die ersten Sätze über die Fußball-Europameisterschaft finden sich heute erst auf Seite 24 – und das am Tag nach zwei Viertelfinalspielen.

Die vorigen 23 Seiten beschäftigen sich ausschließlich mit dem Calciomercato, also dem An- und Verkauf von Spielern und den möglichen Formationen, die sich daraus für die Vereine ergeben.

Ich habe die Gazzetta dello Sport schon oft gelobt. Aber das finde ich ein wenig respektlos. Denn das Spiel Österreich-Türkei am Abend zuvor war auch in Italien ein TV-Quotenschlager.

Donnerstag, 4. Juli

Ebenfalls auf dem in Seenot geratenen Schiff »Audace« war Gudrun W., ein Mitglied unserer famiglia. Sie schrieb mir, dass das Personal offensichtlich überfordert mit den Rädern war – dass es allerdings nicht nur E-Bikes waren. Außerdem lobte sie den Hotelmanager vom Grand Hotel Astoria, Alessandro Lovato, für die große Hilfsbereitschaft, denn nicht nur die Fahrräder waren ja an Bord geblieben, sondern oft auch das Gepäck. Herr Lovato habe die Reisegruppe am nächsten Tag sogar noch zur Hafenmeisterei und zur Polizei begleitet, um Gepäck und Räder abzuholen. Viele der Räder waren natürlich beschädigt, die meisten Urlauber mussten die Heimreise antreten – jeglicher Versuch einer Kontaktaufnahme mit der Reederei scheiterte bisher. Da bleibe ich dran beziehungsweise stecke das dem Redakteur des Il Piccolo, dass der mal kräftig Dampf macht. »Die Hoffnung stirbt zuletzt!«, endete Gudruns Mail. In jedem Fall würde ich mich auf ein Geduldsspiel einstellen.

Freitag, 5. Juli

Manche reden nur davon, er tut’s einfach: Mein angeheirateter Cousin Paolo hat es gewagt und ein Restaurant eröffnet – in Porto Garibaldi, einem Badeort in der Provinz Ferrara nicht weit von Comacchio, also zweieinhalb Stunden die Adria runter. Paolo ist, genaugenommen, der Ehemann der Cousine meiner Frau. Gibt es dafür eine konkrete Verwandtschaftsbezeichnung?

Egal, »Lo Sbottonato« heißt sein Restaurant (wortwörtlich »aufgeknöpft«, in der Bedeutung »zwanglos«), liegt direkt am Hafen und ist ausgezeichnet. In der Küche stehen zwei ältere einheimische Damen, die genau wissen, wie es geht; darunter beherrschen sie die heikle Zubereitung von gegrilltem Aal, die Spezialität der Region.

Im Gegensatz zu den vielen anderen Badeorten drumherum ankert hier eine große Fischereiflotte, was erstens ein bisschen an Grado erinnert und zweitens für exzellente Fischküche sorgt. Die Wein- und Champagnerauswahl ist überragend, die Preise niedrig. Falls es euch dorthin verschlägt, ganz liebe Grüße ausrichten; Paolo spricht auch sehr gut Deutsch.

Wer am Wochenende nach Grado kommt: Es ist der Sabo Grando und das Perdòn di Barbana, es wird also hoch her gehen; ausnahmsweise ist Musik bis 3 Uhr in der Nacht erlaubt, und die Schiffsprozession wird am Sonntag um 8:45 Uhr den Hafen verlassen. Nicht unwichtig für alle Reisenden: Die Brücke wird daher am Sonntag von 9 bis 9.30 Uhr und von 12 bis 12.30 Uhr für den Autoverkehr gesperrt. Ich würde mich nicht auf die genauen Minuten verlassen und hintenrum an- oder abreisen.

Das neue Buch kuschelt am liebsten bei Pino, und hier kommt eine ganz tolle Besprechung aus der Sindelfinger Zeitung/Böblinger Zeitung.

Ein Auszug: »Stefan Maiwalds Buch ist eine Fundgrube der Erinnerungen für alle, die in ihren frühen Jahren ihre Urlaube in Italien verbracht haben und die Italien bis heute nicht loslässt. Italien als Sehnsuchtsort, der noch viel mehr zu bieten hat als Sonne, Strand, Meer und fantastisches Essen. Die üppige Bebilderung dieses feinen Bandes ist die Einstiegsdroge, Maiwalds Texte machen endgültig süchtig. Sie lassen die Faszination dieses einzigartigen Landes spüren, seiner Kultur, seiner Menschen und nicht zuletzt: seiner Küche.« – Danke sehr!

Das Buch gibt es in eurer Lieblingsbuchhandlung und auch gleich hier.

Band 1 der Porzellanmanufaktur gibt es derzeit bei Kindle Unlimited für 0 Euro.

Auf Instagram findet ihr mich unter @buch_und_wein. In der Story poste ich jeden Tag eine Kleinigkeit aus Grado (oder von dort, wo ich gerade unterwegs bin).

Die Mediterrane Wochenschau von vorletzter Woche mit Grados ungewöhnlichem Fundbüro und dem neuen Sushi-Restaurant lest ihr hier.

Die Mediterrane Wochenschau von letzter Woche mit dem Feuer im Schwimmbad und einem exklusiven Augenzeugenbericht des Beinahe-Schiffsunglücks lest ihr hier.

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Die Lesetermine nach der Sommerpause
19. September: Westerwälder Literaturtage, Birkenhof-Brennerei, Nistertal
20. September: Bremen, Buchhandlung Lesumer Lesezeit
21. September: Osnabrück, Altstädter Bücherstuben
27. September: Klagenfurt, Buchhandlung Heyn – mit kulinarischer Begleitung

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