Hitzewelle, Einschlafhilfe, teure Wohnungen, frische Foulards: Mediterrane Wochenschau CCIX

Hier kommt der einzige Newsletter, der so langsam zerfließt, denn nach einem meteorologisch mäßigen Saisonstart sind die Temperaturen nun plötzlich am Anschlag. Selbst das Wasser ist schon 29,7 Grad warm, wie die Strandverwaltung gerade über Lautsprecher verkündete.

Aber bevor wir ins Meer springen, kommen hier die Neuigkeiten der Woche.

Vorab: Die Spaghetti-vongole-Tagebücher sind nach drei Monaten immer noch Top Ten in Österreich! Und: Ich habe drei Monate gebraucht, bis ich auf die Idee zu diesem Foto gekommen bin, ich Genie.

Gourmets sprechen vom »Food Pairing«.

Sonntag, 7. Juli

Es ist der Höhepunkt des Jahres: die Schiffsprozession »Perdón di Barbana«, die seit fast 800 Jahren am ersten Julisonntag stattfindet, sowie der »Sabo Grando« (Inseldialekt für »großer Samstag«) zuvor mit Musik bis spät in die Nacht. Wer an diesem Wochenende in Grado Ruhe und Erholung gesucht hat, wird wenig Glück gehabt haben.

Monatelang wird sogar über die Reihenfolge der Schiffe debattiert, die das Inselkloster ansteuern, und für Gradeser ist es eine große Ehre, auf einem der prächtig geschmückten Schiffe mitfahren zu dürfen. Die bange Frage lautet wie jedes Jahr: Wird die Überfahrt gelingen? Denn die drei Lagunenkilometer sind von zwei Hindernissen verstellt. Als erstes wartet die altersschwache Drehbrücke, die eine Durchfahrt zwischen Hafen und Lagune ermöglicht – oder das zumindest tun sollte. Im Frühjahr, bei einer kleineren Prozession, streikte der Mechanismus, alle Würdenträger mussten unwürdig in den Hafen zurückkehren, zu Fuß zur Anlegestelle in der Nähe des großen Kreisverkehrs laufen und dort Taxiboote betreten. Nicht auszudenken, wenn das am Sonntag passieren würde! 

Das Flaggschiff ist schon ganz ungeduldig.

Als zweites ist die Fahrrinne bis Barbana bedenklich knapp bemessen. Mehr als eine Handbreit Wasser ist nicht unterm Kiel, was immer wieder für blockierte Boote sorgt, besonders dann, wenn sie mit ein paar Dutzend wohlbeleibter Honoratioren in Ausgehuniform bestückt sind und noch ein paar Zentimeter tiefer liegen.

Aber zum Glück ging alles gut. 

Zu den Zeiten, als man noch mit Wind und Muskelkraft navigieren musste, ruderten die Gradeser übrigens – mit reichlich Wein an Bord – schon am Samstag in Richtung Barbana, stießen dort an, legten sich im Freien zum Schlafen nieder und feierten am nächsten Tag die Messe.

Das Perdón ist das Fest der Gradeser, und das ist gut so. Es ist keine »sagra« wie etwa das Spargelfest in Fossalon oder die abendlichen sardelade in der Altstadt mit frittierten Meeresfrüchten und Hauswein, also Events, die sich an die Touristen richten. Ich finde, die Prozession und alles Drumherum sollte den Einheimischen vorbehalten bleiben; Touristen dürfen gern ein paar Schritte zurücktreten und den Gradesern die erste Reihe überlassen. Es ist für viele von ihnen die letzte Gelegenheit, gemeinsam zu feiern, bevor der Trubel der absoluten Hochsaison beginnt, der apokalyptische Kampf um Parkplätze und Strandliegen und einen schattigen Tisch in der Trattoria.

Montag, 8. Juli

Grado ist eine Woche lang Mittelpunkt der italienischen Fußballwelt! Denn die beliebte Sky-Show »Calciomercato« sendet jeden Abend ab 23 Uhr live vom Kirchplatz. Eine Expertenrunde – darunter Walter Zenga, Nationaltorwart bei der WM 1990 – redet eine Stunde lang über den Calciomercato, also den An- und Verkauf von Spielern und Trainern und was das für die taktische Formationen der Mannschaften bedeutet.

In einer Stunde geht’s los.

Es ist ein hochspekulatives, beinahe sinnfreies Gebrabbel, aber Italiener mögen das, weil man jeden Spielertransfer mit kleinen und großen Verschwörungstheorien würzen kann. Ein Beispiel: Riccardo Calafiori, der einzige EM-Lichtblick der Italiener, sollte eigentlich von Bologna zu Juve wechseln, aber weil der Bologna-Boss sauer auf seinen Ex-Trainer Thiago Motta sei, der trotz Zusage, bei Bologna zu bleiben, ebenfalls zu Juve wechselt, habe er angeblich gesagt: Calafiori kriegt ihr nur über meine Leiche, ihr schwarzweiß gestreiften Mistkerle, und nun sieht es so aus, als wechsle Calafiori zu Arsenal London. Ich schaue die Show zuhause, weil man dabei auch gut einschläft.

Dienstag, 9. Juli

Bleiben wir beim Sport. Was ist denn jetzt mit den beiden Padelplätzen, die einen der beiden Tennisplätze bei den Ville Bianchi ersetzen sollten? Tja, es hat sich ausgepadelt. Obwohl die Baustelle ja schon eingerichtet war. Erstens war es ohnehin eine merkwürdige Idee der Strandverwaltung, einen Tennisplatz ausgerechnet im größten Tennisboom, den Italien in seiner Geschichte erlebt (Yannik Sinner, Jasmine Paolini, Lorenzo Musetti, Matteo Berettini), zu killen. Zweitens gefiel den umliegenden Hotels die Idee zweier Padelplätze gar nicht, denn Padel gilt als Lärmsportart, es scheppert ordentlich, und bei acht Spielern zugleich wäre es hoch her gegangen. Die Hoteliers legten ihr Veto ein und beriefen sich aufs Gesetz, und damit hatte sich das Vorhaben erledigt.

Mittwoch, 10. Juli

»Jammern ist der Gruß der Kaufleute«, hieß es schon beim Handelsvolk der Phönizier, und das gilt besonders für die Hoteliers und Restaurantbesitzer in Grado, dabei scheint die Saison trotz der instabilen Großwetterlage im Mai und Juni auf neue Rekorde zuzusteuern. Auch der Immobilienmarkt ist heiß wie nie. Auf Lesungen werde ich oft gefragt, wie es denn mit der Wohnungslage aussieht. Nun vermeldet die örtliche Tageszeitung Il Piccolo, dass fünfzig Prozent aller verkauften Immobilien in Grado in den letzten Jahren an Österreicher und Deutsche gingen. Gradeser sind stolz drauf, dass so viele Ausländer sich hier einkaufen. Sie haben sich längst damit abgefunden, dass sie kaum mit den Preisen mithalten können – inzwischen kosten Wohnungen in guter Lage bis zu 10.000 Euro pro Quadratmeter. Wer als Gradeser in Grado eine Familie gründet und keine Wohnung als Erbschaft in Aussicht hat, zieht raus nach Aquileia, Fiumicello oder Cervignano. Anders geht es nicht.

Donnerstag, 11. Juli

Frische Foulards aus Grado! (Nein, ich wusste bis vor ein paar Jahren auch nicht, was Foulards sind. Bei uns in Norddeutschland heißt alles, was man um sich herum wickelt, einfach »Schal«). Jedenfalls: Laura Fortuna – genau, unsere Laura aus dem ehemaligen Spaghetti House – hat ihre eigene Foulard-Kollektion auf den Markt gebracht, mit tollen Grado-Motiven. 

Bekommt ihr am Strandkiosk Al Faro oder in ihrem kleinen Hotel, und sicher bald auch online.

Jetzt aber: Ich wünsche euch allen ein sonniges Wochenende!

Wenn es mit dem Italienurlaub noch etwas dauert, dann holt euch Italien einfach nach Hause:

»Stefan Maiwalds Buch ist eine Fundgrube der Erinnerungen für alle, die in ihren frühen Jahren ihre Urlaube in Italien verbracht haben und die Italien bis heute nicht loslässt. Italien als Sehnsuchtsort, der noch viel mehr zu bieten hat als Sonne, Strand, Meer und fantastisches Essen. Die üppige Bebilderung dieses feinen Bandes ist die Einstiegsdroge, Maiwalds Texte machen endgültig süchtig. Sie lassen die Faszination dieses einzigartigen Landes spüren, seiner Kultur, seiner Menschen und nicht zuletzt: seiner Küche.« – Das schreibt die Sindelfinger Zeitung/Böblinger Zeitung. Danke! Das Buch gibt es in eurer Lieblingsbuchhandlung und gleich hier.

Band 1 der Porzellanmanufaktur gibt es derzeit bei Kindle Unlimited für 0 Euro.

Auf Instagram findet ihr mich unter @buch_und_wein. In der Story poste ich jeden Tag eine Kleinigkeit aus Grado (oder von dort, wo ich gerade unterwegs bin).

Die Mediterrane Wochenschau von letzter Woche mit meinem mutigen Beinahe-Cousin lest ihr hier.

Die Mediterrane Wochenschau von vorletzter Woche mit dem Feuer im Schwimmbad und einem exklusiven Augenzeugenbericht des Beinahe-Schiffsunglücks lest ihr hier.

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