Der erhoffte Abriss, das touristische Paradox, Grado verzaubert Rom: Mediterrane Wochenschau CCXXI

Hier kommt der einzige Newsletter, der so langsam über einen Garderobenwechsel nachdenkt, denn der versprochene Goldene Oktober lässt doch sehr auf sich warten. Egal, lassen wir unser Inneres jubilieren, es gibt ja keine schönere Zeit zum Essen und zum Trinken als den Herbst.

Vorab: Gerade habe ich auf Instagram (ihr findet mich unter @buch_und_wein) einen kleinen Film über Pinos Bar am frühen Morgen geteilt. Mehr Grado-Filme folgen, schaut vorbei!

Montag, 30. September

Gleich zwei Leser hatten mich in den letzten Wochen gefragt, ob es denn in Grado einen Geheimtipp gäbe – ein Lokal, das nur von Einheimischen besucht wird

Also: Wenn es hier Trattorien gäbe, die nur oder fast nur von Einheimischen frequentiert wären, wären sie schnell pleite. Die Gastronomie ist nahezu komplett auf die Touristen ausgelegt. 

Und selbst wenn es solche Trattorien gäbe – was wollen die Leser dort? Was versprechen sie sich von einem Besuch? Glauben sie, sie würden mit offenen Armen empfangen werden, würden sofort an einen Tisch gebeten werden, wären sofort Teil der Dorfgemeinschaft? So funktioniert Italien nur im Film. 

Dazu kommt: Wenn die Leser das Lokal betreten, zerstören sie ja genau das, was sie gesucht haben – das Lokal ist dann eben nicht mehr nur von Einheimischen frequentiert. Das ist das touristische Paradox.

Wenn es von Einheimischen frequentierte Bars und Trattorien gäbe, dann ja gerade deswegen, um Ruhe zu haben. Denn wir alle – auch ich, nach zwanzig Jahren! – sind letztlich nur: Touristen, Gäste, bestenfalls Zugereiste. Lassen wir den Einheimischen ihre Rückzugsorte.

Dienstag, 1. Oktober

Jeder Insulaner ist in den letzten Tagen ein paar Zentimeter größer geworden, und das liegt an einer wunderbaren Nachricht aus dem Vatikan: Die traditionelle Weihnachtskrippe auf dem Petersplatz darf dieses Mal von Grado errichtet werden! Die Krippe soll 30 x 14 Meter groß werden, ein veritables Haus. (Oder, wenn wir bibeltreu bleiben: ein veritabler Stall.) Und sie soll im Stil an ein casone in der Lagune erinnern. Die Arbeiten beginnen bald; bis zum 12. Januar wird sie zu bewundern sein. 

Und das Brimborium drumherum ist beachtlich, denn natürlich wird auch Papst Franziskus die Erbauer zu einer Audienz empfangen – für Gläubige etwas ganz Besonderes. Grado ist, wie Nebensaison-Besucher wissen, ohnehin eine Krippenhochburg. Schön, dass diese Tradition jetzt auf Reisen geht.

Mittwoch, 2. Oktober

Grado Pineta versucht, sich für den Tourismus aufzuhübschen. Aber schon am Eingang steht dieses horrende verlassene Gebäude, das seit Jahren vor sich hin verfällt. Die einstige Diskothek Gradualis war im Disko-Boom der 1980er-Jahre gut besucht, aber der Disko-Boom hat sich ebenso erledigt wie das Gebäude selbst. Nun haben die Anwohner 225 Unterschriften gesammelt und dem Bürgermeister übergeben, um das Gebäude entweder in Schuss zu bringen oder, besser noch, abzureißen. 

Was hat damals eigentlich der Brandschutzbeauftragte zu den »Fluchtwegen« gesagt?

Uns Grado-Kennern fallen sicher noch drei, vier weitere Gebäude ein, die eine gut platzierte Sprengladung verdient hätten.

Die Unterschriftenaktion schließt auch das ehemalige Hotel Plaza ein, das in Pineta seit dem Großbrand im Januar 2018 vor sich hin verfällt. Was bei den Gradesern eine alte Wunde aufreißt, denn dem Ort fehlt die Feuerwehr. Nur im Juli und August sind ein paar Fahrzeuge in Grado stationiert. Bei Bränden außerhalb der Saison ist Grado, wie 2018 zeigte, auf sich allein gestellt, die Feuerwehr musste aus Monfalcone heranrücken, was im Fall des Hotels Plaza 45 Minuten dauerte – zu spät, um die Struktur zu retten. 

Donnerstag, 3. Oktober

Hier kommen ein paar Zuschriften der letzten Tage: Uta W. hat »Italien – unsere Liebe« mit auf große Fahrt genommen, und einmal sogar, passend am Strand von Jesolo, die »Spaghetti-vongole-Tagebücher« an richtiger Stelle aufgeschlagen.

Marion J. lässt es sich mit zwei Büchern gut gehen:

Und Alfred L. schickt mir diese Schlagzeile aus Triest – die dortige Straßenbahn (eine lange Geschichte) hat technische Probleme, jetzt sollen die Deutschen helfen:

Schön, dass unser Ruf noch besser ist als die trübe Realität.

Freitag, 4. Oktober

Denkt dran: Es wird voll am Wochenende. Die SUP-Paddler (Samstag) und Marathonläufer (Sonntag) sorgen für Betrieb, und gerade am Sonntag wird es viele Straßensperren geben. Lasst das Auto bis zum Nachmittag stehen und reserviert rechtzeitig in eurer Lieblingstrattoria!

Nächste Woche erzähle ich euch von dem ganz neuen Viertel, das in Grado aus dem Nichts entstehen soll, ein veritables Mammutprojekt.

Edgar Wallace, Klaus Kinski, Joachim Fuchsberger, Rudi Dutschke, Peter Alexander. Klatschreporter, Revolutionäre, Fluchthelfer, Spione. »Was bin ich?« und das Wembley-Tor. Schmutzige Geheimnisse, raffinierte Feinde – die Thalmeyers müssen um ihre Manufaktur kämpfen. Band III der »Porzellanmanufaktur« ist nun überall lieferbar, es geht unter anderem nach München in die wilden 1960er-Jahre, ihr werdet viele Fernsehstars treffen, an die ihr euch noch gut erinnert, und ganz viel Italien ist dabei: Wie könnte es auch anders sein?

Tutto completo: Da ist die Trilogie!

Ich wünsche euch allen ein wunderbares Wochenende.

Die Mediterrane Wochenschau von letzter Woche mit meinem privaten Wettersatelliten lest ihr hier.

Die Mediterrane Wochenschau von vorletzter Woche mit dem Disko-Dilemma lest ihr hier.

Auf Instagram findet ihr mich unter @buch_und_wein. Dort poste ich jeden Tag eine Kleinigkeit aus Grado (oder von dort, wo ich gerade unterwegs bin). Und seit Neuestem auch Filme.

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