Grünes Unglück, bröckelnde Bauten, wackliges Venedig: Mediterrane Wochenschau CCLXIV

Hier kommt der einzige Newsletter, der ein paar ganz neue Dinge über den italienischen Aberglauben gelernt hat – dabei hatte ich mich schon für einen Experten gehalten, dank der harten Schule meiner Frau. In Folge 8 meines Podcasts hatte ich ja über den ausgeprägten Aberglauben hierzulande gesprochen, über Stolpereien auf der Treppe, runterfallende Gabeln und das Sitzen genau an der Ecke eines Tisches.

Es gibt in Italien aber auch ein Spezialgebiet, das in anderen Ländern eher unbekannt ist. Nennen wir’s »Farb-Aberglauben«. So bringt die Farbe Grün auf dem Boot Unglück, also weg mit Badehosen oder Shirts dieser Farbe, wenn ihr auf dem Wasser seid. Und ins Theater, ins Kino oder zu einer Lesung geht man auf keinen Fall in der Farbe Lila. 

Die Hintergründe: Möglicherweise bringt Grün Unglück, weil feuchte Kupferbeschläge an den Booten grün anliefen, was auf eine instabile Struktur darunter hindeuten konnte, etwa durchfaulendes Holz. Und Lila ist im Christentum die Farbe der Quaresima, der Fastenzeit zwischen Fasching und Ostern, in der alle Theaterstücke und sonstige Aufführungen verboten waren, die Schauspieler also arbeitslos wurden.

Montag, 1. September

Die Brunnenlandschaft vor dem Konkavbauwerk Zipser war ähnlich umstritten wie das Zipser selbst – jenes Hochhaus wird übrigens seit jeher von Architekten aus aller Welt schwer abgefeiert, was uns Normalsterbliche lehrt, dass man wirklich nicht immer auf Experten hören sollte. 

Hier sprudelt schon lange nichts mehr.

Doch die Wasserfontänen haben schon vor langer Zeit zu sprudeln aufgehört, denn ein acqua alta hat sie 2019 unter Wasser gesetzt, seitdem fließt nichts mehr. Ein Brunnen, der von Wasser kaputt gemacht wird – kann man sich auch nicht besser ausdenken. Ja, klar, Meerwasser ist noch mal was anderes als Süßwasser, dennoch. Auch darf man als Architekt ja damit rechnen, dass bei einem Brunnen, der acht Meter vom Meeresufer gebaut wird, das Meerwasser irgendwann mal eine Rolle spielen könnte. Oder nicht? 

Bald ein schattiger Sitzplatz?

Mein Schwager ist auch Architekt, aber der liest als Italiener hier zum Glück nicht mit. Jedenfalls: Nun soll dort eine Begegnungsstätte entstehen, was nach Verwahrlosung und Graffiti klingt. Die Betonbögen und Metallstreben obendrüber bleiben bestehen und sollen bepflanzt werden. Immerhin wäre damit fürs Erste ein Ort gefunden, sich an der Uferpromenade aufzuhalten; das dortige Restaurant ist ja aus hygienischen Gründen geschlossen worden.

Der Brunnenboden soll erneuert werden, davor sollen Betonblöcke unterschiedlicher Größe zum Sitzen einladen. Ja, das klingt wirklich gemütlich (auf dem Rendering sind keine Rückenlehnen vorgesehen, es sind einfach Quader) – und insgesamt nach einem lackierten Totalschaden. Die Arbeiten sollen 70 Tage dauern, als Kosten sind 150.000 Euro veranschlagt. 

Dienstag, 2. September

Auch anderswo muss ausgebessert werden. Vom Campanile sind mal wieder ein paar Gesteinsbröckchen abgefallen (»das war schon immer so«, erzählte heute morgen ein alter Gradeser in der Bar). Die Feuerwehr hat den Platz drumherum vorsichtshalber abgesperrt und will sich das Ganze genauer anschauen. Der Campanile hat aber auch gutes Recht, ein bisschen baufällig zu sein, immerhin ist er 600 Jahre alt – und nicht 15 Jahre alt wie der kaputte Springbrunnen.

Mittwoch, 3. September

Eine ganz bittere Notiz: Vor ein paar Wochen konnte ein sechsjähriges Mädchen aus Triest gerade noch aus dem Pool des Campingplatzes Punta Spin gerettet werden. Für ein vierjähriges Mädchen aus Bayern kam nun am Ufer des Campingplatzes Villaggio Europa jede Hilfe zu spät. Wir sind alle tief erschüttert. Hier stehen Einzelheiten.

Viele Fragen sind offen – nächste Woche wissen wir mehr, und ich berichte detaillierter.

Donnerstag, 4. September

Und schon wieder ist eine Gondel in Venedig umgekippt. Inzwischen kommt das beinahe täglich vor – alle Passagiere und auch der Gondoliere landeten im Wasser. Warum geschieht das dauernd? Weil die Passagiere ihre Fahrt via Selfie oder Video festhalten wollen und sich dabei trotz aller Mahnungen viel zu weit über Bord lehnen. Aber eine Gondel ist kein gewöhnliches Boot, sondern hat nur ganz geringen Tiefgang und ist daher sehr, sehr wacklig. Also, bei allen Selfie-Wünschen: Nicht zu weit vorbeugen, nicht während der Fahrt aufstehen, brav sitzen bleiben und genießen.

Freitag, 5. September

Die Reaktionen auf Luciano Pavarottis Sommerfotos in der letzten Wochenschau waren ganz überraschend. Viele Leserinnen und Leser zeigten sich gerührt, einige berichteten mir, sie hätten sein Geburtshaus in Modena besichtigt und seien in Tränen ausgebrochen. Ja, auch wenn es nun schon eine Weile her ist: Da hat uns ein ganz großer Künstler verlassen. 

Folge 9 meines Podcasts ist draußen! Es geht um das italienische Glück, zwei kulinarische Skandale und den wahren Helden des Sommers. Wenn ihr noch nicht gelauscht habt: Ihr könnt hier auf Podigee oder hier auf Spotify alle Folgen hören, aber zum Beispiel auch bei Apple Podcasts oder RTL+, natürlich überall kostenlos.

Noch 20 Tage, dann ist es soweit. Ich freue mich sehr, und die ersten Leserinnen und Leser sind begeistert.

Wann beginnt eigentlich die Nebensaison? Wenn die Staus Richtung Norden länger werden? Der Strand keinen Eintritt mehr kostet oder die Restaurants Ruhetage einführen? In Pinos legendärer Bar in Grado beginnt sie exakt dann, wenn der Fernseher endlich wieder läuft. Und die Stammgäste den Sommer resümieren, über Politik streiten, die Fußballergebnisse und lokale Kriminalfälle diskutieren, füreinander kochen, Pläne schmieden, lachen, laut diskutieren und am Ende immer auf das Leben anstoßen. Stefan Maiwald nimmt euch mit in seine hell erleuchtete Bar in Italien, den Zufluchtsort vor Bora, beißender Kälte und dem Winter-Blues.

Bestellt es rasch vor, zum Beispiel bei Amazon, Thalia oder Hugendubel, aber sehr gern auch in eurer örtlichen Buchhandlung.

Hier kommen die aktuellen Lesungstermine.

Mittwoch, 1.10.: Wien, Thalia Mitte
Donnerstag, 2.10.: Wien, Weingut & Heuriger Karl Lentner
Freitag, 3.10.: Graz, Buchhandlung Büchersegler
Samstag, 4.10: Bad Tatzmannsdorf, Reiters Supreme
Montag, 6.10.: Linz, Thalia
Donnerstag, 16.10.: München, Bar Primo Piano im Hotel Rotkreuzplatz
Freitag, 17.10.: Großkarolinenfeld, Voglbuch/Pfarrstadl
Dienstag, 21.10., St. Veit, Buchhandlung Besold
Montag, 11.5.2026 (!): München, Buchhandlung Singer – Aperitivo, Autorenhuldigung & Gartenparty

Alles über meine Bücher lest ihr hier.

Die letzte Wochenschau mit der unsichtbaren Brücke lest ihr hier.

Die Wochenschau mit den faszinierenden Fotos von Grado aus dem Jahr 1909 lest ihr hier.

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Jetzt wünsche ich euch ein wunderbares Wochenende.