Hier kommt der einzige Newsletter, der mal kurz ein paar Recherchetage in Triest eingeworfen hat – verrückte Idee, einen Stadturlaub bei 35 Grad zu machen. Ich war dann auch schnell wieder am Strand.

Montag, 23. Juni
Was für ein Chaos: Die 200 neuen E-Roller für Grado kamen vorerst nicht zum Einsatz. Der Haken, wie bereits vor drei Wochen berichtet: In Italien herrscht für E-Roller Helmpflicht, und weil die Helme nicht mitgeliefert wurden, kam das gesamte Projekt zu einem abrupten Halt. Der zuständige Assessor sprach von einem Missverständnis, das sich »bald« aufklären solle. Jedenfalls waren alle zufrieden, dass es fürs Erste doch keine Roller-Invasion geben würde. Bis auf die Roller-Firma. Und so eine richtig gute Figur hat die Gemeinde auch nicht gemacht.
Jetzt nun doch die Lösung: Helme können an bestimmten Verkaufsstellen mit ausgeliehen werden; am Wochenende soll endlich der Service beginnen, der in Grado auf wenig Gegenliebe stößt. Um es mal sehr diplomatisch zu formulieren. Bei Pino und überall sonst halten alle die Idee für das ganz große Grauen.


Übrigens: Die Helmpflicht gilt selbstverständlich auch für Urlauber auf ihren privaten E-Rollern; es hat in den letzten Wochen jede Menge Strafen gegeben, und der fällige Betrag (50 Euro) wäre doch besser in einer der Trattorien in der Altstadt angelegt.
Dienstag, 24. Juni
Ich saß gestern Abend mit Francesco zusammen, einem alten Gradeser Fischer. Das passiert einem hier in Grado häufiger, immerhin rund hundert Menschen leben noch vom Fischfang, und noch vor einer Generation waren es drei- bis vierhundert. »Das Meer ist gesund, aber es macht auch alt«, grinst Francesco und zeigt auf seine faltige Haut. Er ist 75 Jahre alt und seit seinem zwölften Lebensjahr rausgefahren – »nach der Grundschule war Schluss, und du musstest ran.« Andere Zeiten, harte Zeiten.
Sein Bruder, zwölf Jahre jünger als er, fährt immer noch täglich raus. Übrigens gilt das für die meisten Fischerboote: Sie werden im Familienbetrieb genutzt, mit Vater und Sohn oder Brüdern oder Cousins.
Schwimmen konnte er, wie alle Fischer seiner Generation, nicht. Aber das Schwimmenkönnen nützt einem auch nichts, wenn man im November viele Kilometer vor der Küste über Bord geht. Ob man nun schwimmen kann oder nicht, die Sache ist nach ein paar Minuten im sieben Grad kalten Wasser schnell vorbei.
Ich konnte Francesco wenigstens noch ein paar Kinderfragen stellen. Zum Beispiel: Warum fahren die Fischer eigentlich nachts raus und machen sich das ohnehin schwere Leben noch schwerer? Weil fast alle Fische nachtaktiv sind und besser gefangen werden können. Und auch Angler wissen ja: Ein Schatten an der Oberfläche, bei Tageslicht besonders leicht zu sehen, verscheucht alles.
In meinem übernächsten Podcast (19. Juli) geht es auf vielfachen Wunsch um die Fischer von Grado und ihre Geschichten, aber im nächsten Podcast vom 5. Juli reden wir erst mal über das Reizthema Hunde. Und wenn dann noch jemand zum Hören übrigbleibt, hört ihr Francescos ganze Geschichte.
Den aktuellen Podcast mit richtig guten (und modernen) Verhaltenstipps in italienischen Restaurants und Venedig-Tipps, wenn ihr nicht Jeff Bezos heißt, hört ihr hier.
Mittwoch, 25. Juni
Apropos Podcast: Danke für diese Zuschrift!
Sitze im Zug auf der Heimfahrt von einem wunderbar entspannten Gradourlaub. Tausend Dank für den großartig kurzweiligen Podcast! Endlich verstehe ich, warum ich immer wieder nach Italien fahren muss, und es gibt sogar einen Namen dafür: italianità! Und das Beste ist, dass ich beim nächsten Mal endlich ohne schlechtes Gewissen Gnocchi con burro e salvia zusammen (!) mit insalata mista im Ristorante essen kann. Allein dafür gebührt schon Dank! Tatsächlich habe ich einen vorbildlichen städtischen Arbeitgeber mit einer Cafebar im Haus und wir treffen uns jeden Morgen um 9 bei Cappuccino zur ersten Arbeitsbesprechung. Alle gehen dann entspannt ans Tagwerk! Kann ich allen deutschen Arbeitgebern nur empfehlen!
Und apropos Cappuccino: Ich würde so gern mit allen von euch einen Kaffee am Morgen oder einen Aperitivo am Abend trinken, aber hier ist das Problem: Ich werde das mindestens dreimal pro Tag gefragt – und ich könnte mir nichts Besseres vorstellen, als mit allen von euch meinen Tag zu bestreiten: ein fröhlicher Privatier mit zunehmend geröteter Nase, der von Bar zu Bar schlendert.
Doch das ganz banale Problem ist Folgendes, und das erzähle ich auch meinen allerbesten Freunden immer: Ihr seid hier im Urlaub. Für mich ist dagegen jeder Tag ein ganz normaler Arbeitstag. Und wenn die Arbeit vorbei ist, gibt es auch noch die Familie – die Frau, die Töchter, die Neffen und Nichten, die Schwiegereltern undsoweiter. Ich freue mich riesig über alle, die mich ansprechen, und meine Frau ist auch immer ganz stolz. Ein kurzes Hallo, ein Foto und eine Signatur sind immer und überall möglich, ob bei Pino oder unterm Sonnenschirm. Aber ein gemeinsamer Kaffee oder ein Glas Wein sind schwierig. Bitte nicht böse sein, wenn ich solche Einladungen immer ablehnen muss.
Hier ist Christoph, ein Bestatter aus Graz, der aus Entschleunigungsgründen mit einem 2,5-PS-Mofa nach Grado fuhr.

Auch die Besolds, Buchhändler aus St. Veit, wo ich im Herbst bestimmt wieder sein werde, schauten auf ein paar Cicchetti vorbei.

An der Lesereise basteln wir gerade, bislang steht auf jeden Fall Wien fest (1. und 2. Oktober).
Donnerstag, 26. Juni
Denkt an den Fotowettbewerb zum Strandbuch, es gibt zwei feine Buchpakete zu gewinnen.

Freitag, 27. Juni
Erst ein Interview am Strand, dann ein Interview in Pinos Bar – Servus TV war mit mir an meinen Lieblingsorten. Nächste Woche mehr.


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Ich wünsche euch allen ein wunderbares, sonniges, entspanntes Wochenende.
Meine 53 persönlichen Tipps zu Grado lest ihr hier.
Die letzte Wochenschau mit der kaum noch für möglich gehaltenen Museumseröffnung lest ihr hier – oder bleibt es doch wieder nur bei der Ankündigung?
Alles über meine Bücher lest ihr hier. Und mehr Bilder aus Italien gibt es auf Instagram unter @buch_und_wein.
Zum Podcast »Radio Adria« geht es hier entlang. Perfekt für die Fahrt in den Süden!
