Wildschwein-Alarm, die kuriose rote Karte und zu Gast bei den Schlauen: Mediterrane Wochenschau CCLXXVII

Hier kommt der einzige Newsletter, der tatsächlich mal live dabei war, als ein Fußballer die rote Karte wegen Gotteslästerung bekam!

Es war am Wochenende beim Spiel Gradese gegen Torviscosa, das Grado knapp mit 1:0 gewann – eine turbulente Partie mit drei roten Karten. Und eine davon bekam ein Spieler von Torviscosa, weil er laut »Dio c…« gebrüllt hatte. Ich dachte, rote Karten wegen Gotteslästerung wären eine urbane Legende, aber nein, es gibt sie in Italien wirklich.

Starke Tabelle, so kann’s weitergehen für Grado!

Der Schiedsrichter war ohnehin sehr unterhaltsam. Als ein paar Ersatzspieler, die sich an der Seitenlinie aufwärmten, ein Foul kommentierten, rief der Schiedsrichter: »Ihr wärmt euch mal schön weiter auf, ich habe hier alles im Griff.«   

Hach, Dorffußball.

Vorab noch schnell: Folge 16 von Radio Adria ist erschienen! Es geht um Held Klaus und seinen grusligen Fund, es geht um die Frage, ob sich Käse und Fisch vertragen, und ich stelle euch das (fast) perfekte Verbrechen vor. Passend dazu ist Krimiautorin Andrea Nagele zu Gast im Fragebogen. Seid dabei, ich freue mich auf euch.

Montag, 1. Dezember

Erst machten die vielen Flamingos den Fischern Sorgen – die rosaroten Schönlinge sind Futterkonkurrenten vieler Fische, die sich aus der Lagune zurückziehen –, dann wird die eingewanderte Blaukrabbe aus dem Atlantik immer mehr zur Plage. Und jetzt gelten auch noch die Wildschweine als Problembesucher. 

Die Tiere sind ausgezeichnete Schwimmer – wer hätte das vermutet? –, und auf den Inseln der Lagune fühlen sie sich sauwohl. Dort leben sie auch ungestört von all jenen Menschen mit Jagdwaffen, die sie am liebsten zu Ragout verarbeiten würden. Doch sie zeigen sich als garstige Gäste und plündern die Nester seltener und geschützter Vogelarten, darunter der Zwergseeschwalbe und des Seeregenpfeifers. Die Vögel errichten ihre Nester auf künstlichen Plattformen, die eigens zu ihrem Schutz angelegt wurden. Doch die schlauen Schweine schaffen es, bis zu diesen Brutplattformen vorzudringen, und bedrohen damit die Fortpflanzung von seltenen Arten, die jedes Jahr aus Afrika in die Lagune von Grado ziehen. Nun haben Freiwillige des italienischen Vogelschutzverbands ein neues Schutzsystem installiert. Metallverstärkte Gitter sollen verhindern, dass die Wildschweine die Brutgebiete erreichen. 

Dienstag, 2. Dezember

Apropos künstliche Plattformen: In Grado werden die Krippen aufgebaut, und die Kreativität ist beinahe grenzenlos. Eine abendliche passeggiata von Krippe zu Krippe ist der wunderbare Abschluss eines üppigen Essens in einer der (wenigen) Trattorien, die in diesen Tagen geöffnet sind. 

Eine der vielen schönen Krippen im centro storico.

Bloß die berühmteste Krippe fehlt schon im zweiten Jahr in Folge, nämlich jene im Hafenbecken. Man war in zwei Jahren nicht in der Lage, den morschen Ponton zu reparieren oder zu ersetzen, der die Krippe trägt. Vielleicht sollte man beim Vogelschutzverband um Expertise nachfragen.

Die schwimmende Krippe fehlt schon im zweiten Jahr.

Mittwoch, 3. Dezember

Das war eine ungewöhnliche Einladung: Kennt ihr »Mensa«, die weltweite Vereinigung von Hochbegabten? Mitglied kann nur werden, wer einen IQ von mindestens 130 hat. Die deutschsprachige Sektion der Intelligenzbestien hat nun einen Podcast und wollte mich interviewen. Denn Hochbegabte, haben mir die beiden Gastgeber erzählt, hadern oft mit sich selbst und »kriegen die PS nicht auf die Straße« (schöne Metapher).

Also sollte ich ihnen ein bisschen was von Italien erzählen, von den Ritualen und der Lebenszufriedenheit. Motto: Italienische Fischer erklären deutschsprachigen Hochbegabten das gute Leben. Es war mir eine Ehre. Hört doch mal rein.

Donnerstag, 4. Dezember

Hochkultur! Der Schriftsteller Manfred Rebhandl schreibt im »Standard« über Alle weg und Meine Bar in Italien:
Diesen Pino kann man sich sofort vorstellen, an dessen Tisch der Autor die trüben Wintermonate in Grado an der oberen Adria verbringen darf, und auch die Bar, die nach ihm benannt ist. Dort wird bis Mitte November der Sommer resümiert, danach kippt die Stimmung, denn nun ist die Saison auch in Worten endgültig vorbei – alle weg. Ab da machen die Menschen Pläne und erzählen sich, was sie nun alles verändern werden. Aber Anfang der nächsten Saison sind sie alle immer noch da. Wohl, weil sie diesem Stamm zugehörig sind. Denn in Pinos Bar, schreibt der Autor Stefan Maiwald, gehen in den Wintermonaten geschätzt 150 Menschen pro Tag ein und aus, was der Größe eines Stammes entspräche, innerhalb dessen wir uns früher mal bewegt hätten – Menschen verschiedenster Herkunft und sozialer Stände, alt und jung. Wir saßen zusammen um ein Feuer, wärmten uns und erzählten einander Geschichten.
(…) »Meiner Frau predige ich, Holz für den kommenden Winter sei im April einzukaufen. Sie nickt, denn es ist ja völlig logisch, aber auch völlig unitalienisch.« Solcherart sind die Sätze, mit denen uns der leise Autor verwöhnt. Beiläufig werden Supermarktgespräche über die richtigen Nudeln für die abendliche Busara wiedergegeben oder die Namen beschrieben, die jeder in Pinos Bar zugewiesen bekommt – bis auf den »Unaussprechlichen«. Was aber wiederum sein Name ist.
Maiwald ist mit einer Italienerin aus Grado verheiratet, deren Vater dieser Pino ist. Allein wie er seine Beziehung zu ihm beschreibt, macht einen glücklich, weil sie gleichzeitig nahe und höflich distanziert ist, wie heute kaum noch jemand Beziehungen pflegt. »Auf die Balance kommt es an. Kein albernes Heranwanzten und Ankumplen, sondern bei aller Wertschätzung höflichen Abstand bewahren.« Ein wunderbar wärmendes Buch.

Auch wenn Pino nicht mein Schwiegervater ist: Danke für die netten Zeilen.

Nun wünsche ich euch ein wunderbares Wochenende.

Letzter Termin 2025: Am 14.12. bin ich in Bad Radkersburg im Thermalhotel Fontana, die Lesung ist auch offen für Nicht-Gäste. 18 Uhr geht’s los.
Und das neue Jahr nimmt ebenfalls langsam Form an:
11.5.2026: München, Buchhandlung Singer
12.5.2026: Coburg, Buchhandlung Riemann
13.5.2026: Großkarolinenfeld, Voglbuch
18.5.2026: Klagenfurt, Buchhandlung Heyn
19.5.2026: Wien, Konzertcafé Schmid Hansl
12.6.2026: Steyr, Museum Arbeitswelt  

Zur letzten Wochenschau mit den ruckligen Silvestervorbereitungen geht es hier entlang.

Zur Wochenschau mit den spektakulären Urlaubsfotos aus dem Jahr 1909 geht es hier entlang.

Alles über meine Bücher lest ihr hier.

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Die Podcast-Übersicht
Wer kurz reinhören will oder was Bestimmtes sucht: Hier kommt eine Übersicht aller Folgen meines Podcasts Radio Adria, den ihr überall kostenlos hören könnt, ob auf Spotify, Podigee, Apple Podcasts, Audible oder RTL+.

In Folge 16 geht es um das (fast) perfekte Verbrechen, um Held Klaus und die Frage, ob Käse zum Fisch gehört. Zu Gast ist Krimiautorin Andrea Nagele.
In Folge 15 geht es um eine Superyacht mit tragischer Geschichte und um Grados bestes Restaurant. Zu Gast ist Bestsellerautor Axel Hacke.
In Folge 14 geht es um Kinder in Restaurants, unfähige Kriminelle und römische Ruinen. Zu Gast ist die Fernsehköchin, Feinkosthändlerin und Buchautorin Stefania Lettini.
In Folge 13 geht es um einen geheimnisvollen Kriminalfall, der bis heute ungelöst ist, aber auch ums Tiramisù. Zu Gast ist Kersten Wetenkamp vom »Feinschmecker«.
In Folge 12 hört ihr von der Polizei gegen spielende Kinder und von einem gestohlenen Rad, das bis nach New York Wellen schlägt. Außerdem ist Genussexpertin Silvia Trippolt zu Gast.
Folge 11 erzählt, warum ein Radfahrer einst das ganze Land rettete und was das »Schwarze Trikot« bedeutet.
Folge 10 dreht sich ums Essen und Trinken, um umkippende Gondeln in Venedig und Overtourism an den Stränden.
In Folge 9 reden wir über das italienische Glück, über zwei kulinarische Skandale (einmal ist Grado im Mittelpunkt), über das größte Bauprojekt in der Geschichte Italiens und was Ferrari so alles fürs Image tut.
Folge 8 dreht sich um den italienischen Aberglauben und einen radikalen Vorschlag, um Venedig zu retten.
In Folge 7 dreht es sich um den perfekten Kaffee und das teuerste Kunstwerk Venedigs.
In Folge 6 betrachten wir das Leben der Fischer und geben Tipps für den Wohnungskauf in Italien.
In Folge 5 geht es um das Reizthema Hund und Tipps für Fischmuffel.
In Folge 4 geht es um das richtige Verhalten in Restaurants und Ausgehtipps in Venedig und Grado.
In Folge 3 geht es um die neue Mode des Apericena und die Archäologie-Verschwörung.
In Folge 2 reisen wir an den italienischen Strand und freuen uns an den kleinen Ritualen.
In Folge 1 reden wir über die Faszination Adria – die nach vielen Jahren plötzlich wieder Trend geworden ist.