Marcus Gavius Apicius widmete sein Leben konsequent dem Genuss. Er war der erste italienische Gourmet und machte sich als Kochbuchautor unsterblich. Im ersten Jahrhundert nach Christus veröffentlichte er eine Rezeptsammlung mit dem Namen ›De re coquinaria‹ (›Über die Kochkunst‹), übrigens ganz ohne Mengenangaben; er setzte voraus, dass seine Leser sich mit dem Kochen leidlich auskannten.
In seinem Buch findet sich ein berühmtes Rezept für Schweineleber, das bis heute aktuell ist. »In ficato oenogarum: piper, thymum, ligusticum, liquamen, vinum modice, oleum.« (»Weingarum für Leber: Pfeffer, Thymian, Liebstöckel, Garum, Wein in Maßen und Öl.«) Garum oder Liquamen ist ein Sud aus Fisch und Fischeingeweiden, der heute noch gern in Asien verwendet wird (in Vietnam heißt er Nuoc Mam) und den Gerichten eine einmalige Würze verpasst.
Apicius’ Lieblingsspeise waren Flamingozungen, auch Sauzitzen und gefüllte Haselmäuse haben ihm gemundet. Er war wohl wirklich der »größte Prasser von allen«, wie ihn der Geschichtsschreiber Plinius nannte.
Er begnügte sich nicht mit dem Konsum, sondern mischte sich selbst in die Aufzucht der Tiere ein, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen: So wies er seine Lieferanten an, die Schweine mit Feigen zu mästen, damit er eine besonders wohlschmeckende Schweineleber bekäme. Ja, das Leben im römischen Imperium konnte schon sehr angenehm sein. Wenn man nicht gerade Sklave war oder sich 20 Jahre als Legionär verpflichtet hatte, an den bitterkalten nördlichen Außengrenzen mit den Caligae im Tiefschnee um sein Leben fürchtete und täglich nur eine Ration Weizenpolenta erhielt.
Apicius lebte im heutigen Minturno ziemlich genau zwischen Rom und Neapel, doch Heimat bedeutete ihm nicht viel. Minturno war besonders für seine Krebse bekannt. Als man Apicius berichtete, dass die Krebse an der Küste Afrikas noch viel üppiger seien, ließ er von seinen Sklaven all seine Habseligkeiten packen und Segel gen Afrika setzen, um dorthin zu übersiedeln – er plante keinen Ausflug, sondern gleich den kompletten Umzug. Wohlgemerkt: nur wegen der Aussicht auf größere und wohlschmeckendere Krebse. Die Fahrt begann ungünstig, denn gleich nach dem Verlassen des Hafens von Ostia geriet er in einen Sturm und wurde schwer seekrank. Tapfer ließ er Kurs halten.
In Afrika hatte sich die Nachricht von der Ankunft des kompromisslosen Genussmenschen schon herumgesprochen, und die Fischer ruderten seinem Schiff noch vor der Ankunft im Hafen entgegen. Apicius besah sich die Krebse, die ihm hingehalten wurden, und fragte, ob es nicht noch größere und bessere gebe. Nein, antworteten die Fischer, das seien bereits die größten und besten. Die Nachricht schockierte den schwerreichen Schlemmer; er ließ die Segel wieder hissen. Er hat nie einen Fuß auf den afrikanischen Kontinent gesetzt.
Apicius’ letzte Mahlzeit war tödlich: Als sein Buchhalter ihm mitteilte, dass er mit seiner Genusssucht bereits 100 Millionen Sesterzen verschwendet habe und für den Rest des Lebens nur noch 10 Millionen Sesterzen übrig blieben, sah sich der Schlemmer in der Gosse. Die Summe – nach heutiger Kaufkraft immer noch mehrere Millionen Euro – schien ihm für seine Ansprüche nicht ausreichend. Mit Gift beendete er sein Leben.