Verdächtige Ostereier, verbutterte Spaghetti, verborgene Katzen: Mediterrane Wochenschau CLXXXIII

Hier kommt der einzige Newsletter, der zwar eine Weihnachtspause eingelegt hat – aber für euch blieben die Augen offen und die Ohren gespitzt, ist doch klar! Und ganz ehrlich: Zwischendurch hatte ich überlegt, einen kleinen Neujahrsgruß rauszuschicken. Denn dieser Newsletter bereichert ja nicht nur ein klein wenig euer Leben (hoffe ich zumindest), sondern auch meines.

Bevor es losgeht, kurz die Neuigkeiten vom Schreibtisch.

Interessanter Start ins neue Jahr: Werbefuzzi Testimonial für den deutschen Buchhandel. ❤️

Und: Band 1 der »Porzellanmanufaktur« geht nach nur vier Wochen in die zweite Auflage. Der Wahnsinn! Danke an alle Leserinnen und Leser. Hier lest ihr mehr über das Buch.

Weihnachten und Silvester 2023

Weihnachten und Neujahr in Grado waren sehr gelungen, wie mir alle Leserinnen und Leser bestätigten, die ich auf meinen Spaziergängen am Strand oder beim Kaffee traf. Denn man kann es nicht anders sagen: Grado hat sich richtig Mühe gegeben, mit Konzerten, schwebenden Musikerinnen und Feuerwerk. Die Gäste waren teilweise sogar überrascht über den Aufwand der Inszenierungen, die schön und kitschig zugleich waren – wie Weihnachten selbst.

Bloß der Weihnachtsmarkt kommt in Grado nicht in Schwung. Es gibt ein Karussell und einen Autoscooter und ein paar Stände, aber so richtig gemütlich ist das nicht. Ich bewundere die Geduld der Budenbetreiber, die es jedes Jahr aufs Neue versuchen. Warum, wurde ich von Lesern gefragt, verlegt man den Weihnachtsmarkt nicht in die stimmungsvolle Altstadt? 

Ein bisschen Rummel, ein bisschen Weihnachtsmarkt.

Abgesehen davon, dass ich nicht weiß, was die Bewohner dazu sagen würden, und abgesehen auch davon, dass das centro storico zwar romantisch, aber verflixt eng ist, gehört ein Weihnachtsmarkt mit Glühwein und Bratwurst einfach nicht zum italienischen Lebensgefühl, und Traditionen lassen sich nun einmal nicht erzwingen. Italien – und Grado – hat so viel zu bieten. Belassen wir die Weihnachtsmärkte in den Fachwerkkulissen Österreichs und Deutschlands.

Sonntag, 7. Januar

Von dem Kuchen-Betrug, der Mega-Influencerin Chiara Ferragni vorgeworfen wird, hatte ich ja hier berichtet. (In aller Kürze: Sie hat den Weihnachtskuchen Pandoro auf den Markt gebracht und behauptet, die Einnahmen gingen an ein Kinderkrankenhaus, was nicht stimmte.) Nun sind auch ihre Ostereier unter Verdacht geraten, die sie schon seit einigen Jahren verkauft. Deren Einnahmen sollten eigentlich einer Autismus-Stiftung zugute kommen, aber auch hier scheint es zu heftigen Unregelmäßigkeiten gekommen zu sein, wie auch bei von ihr verkauften Puppen, deren Einnahmen an eine Stiftung gehen sollten, die sich um Opfer von Cyber-Mobbing kümmert. Die Finanzpolizei ermittelt jedenfalls, und die ersten großen Sponsoren, darunter Coca-Cola, haben ihre Verträge mit Frau Ferragni gekündigt.

Italiener stehen im Spendenaufkommen am Ende aller europäischer Nationen – wie kann das sein, wo sie doch generell als großzügig gelten? Und wie ich ja in diesem Newsletter geschrieben habe, ist Grado eine der fleißigsten Blutspende-Kommunen in ganz Italien. Wie passt das zusammen? 

Das hat mit dem Misstrauen gegenüber anonymen Institutionen zu tun, das leider, leider auch berechtigt ist, denn in schöner Regelmäßigkeit fliegen hierzulande zweifelhafte Projekte karitativer Organisationen auf – oder werden gar als glatter Betrug entlarvt. 

Wer helfen will, tut das privat und lokal, etwa mit einer Blutspende oder einem Ehrenamt. Und nicht mit einer Überweisung an eine ferne Organisation.

Montag, 8. Januar 

Leserfrage: Warum gibt es keine Katzen in Grado?

Ich kann die Beobachtung des Lesers nicht teilen, es gibt hier viele Katzen. Ganz in der Nähe von mir, in der Via Roma, lebt sogar eine große Kolonie hinter dem Zaun des verfallenen Hotels, wo regelmäßig ältere Damen mit Futter aufkreuzen; eine ähnliche »Futterstation« gibt es am Campingplatz Al Bosco.

Wenn ihr relativ wenige Katzen im Ortsbild seht (jedenfalls weniger als in anderen italienischen Städten), dann könnte das an der ungewöhnlichen Hundedichte in Grado liegen – das liegt wiederum am mitteleuropäischen Einfluss sowie an den vielen Österreichern, die vor allem in der Nebensaison mit Hund kommen und ausgeprägte Spaziergänge genießen. Da bleiben die Katzen lieber verborgen.

Dienstag, 9. Januar

Gestern am späten Nachmittag kam die Meldung vom Tod Franz Beckenbauers, und die Gazzetta dello Sport hat in wenigen Stunden mächtig auf die Tube gedrückt und die Titelseite und die ersten sieben Seiten dem Kaiser gewidmet.

Nun weiß ich auch, dass Nachrufe bei den Zeitungen schon vor dem Tod älterer oder erkrankter Personen verfasst werden und sozusagen in der Schublade bereit liegen. Dennoch: So viel Platz ist erstaunlich. Und dann kamen ja noch aktuelle Interviews mit Rummenigge, Rivera und Schnellinger dazu. Und kennerhaft wird erklärt, was Franz Beckenbauer eigentlich so besonders gemacht hat und wie er den modernen Fußball geprägt hat. Guter Journalismus.

Mittwoch, 10. Januar

Ein ausführliches Interview mit der Frankenpost über die »Porzellanmanufaktur« – hier endlich in der lesbaren Version. 

Und wenn eine Buchhändlerin das schreibt, freut es einen Autor natürlich besonders:

Donnerstag, 11. Januar

Jetzt zum Spaghetti-vongole-Skandal. Bruno Barbieri, ein besternter Fernsehkoch, zeigte sein Spaghetti-vongole-Rezept. Und er mischte Butter und Paniermehl hinzu! Das sorgte für heftige Zuckungen in den Sozialen Medien, es gab sogar Morddrohungen. Beim Essen verstehen die Italiener halt keinen Spaß. Für die Verteidiger der Tradition gibt es sogar ein Wort: gastropuristi. Andere Leitartikler (!) verteidigten Barbieri: Küche sei nun einmal etwas Evolutionäres; Dinge entwickeln sich, Rezepte werden dem Zeitgeist angepasst.

Dazu gibt es zwei Dinge zu sagen. Erstens: Ich konnte in meinem Job ja öfter mal hinter die Kulissen von Spitzenrestaurants schauen, manchmal mehrere Abende lang. Ihr würdet euch wundern, an wie viele Gerichte ordentlich Butter dazugegeben wird. Sie ist eben der perfekte Geschmacksverstärker.

Zweitens und viel wichtiger: Die vermeintlich klassischen italienischen Gerichte sind nicht klassisch. Das muss aber unter uns bleiben, weil Italiener (und vor allem die Gastro-Puristen) darauf immer sehr eingeschnappt reagieren. Beispiel Pesto: Das heute gültige und vermeintlich heilige Rezept wurde erst in den 1970er-Jahren von einem privaten Konsortium festgelegt; vorher mischten die Köche nach Gutdünken dazu, was sie für richtig hielten. Und manchmal ließen sie den teuren Käse weg oder mischten den hinzu, der gerade weg musste. Die Carbonara, die erst nach dem Zweiten Weltkrieg entstand, war, wie mir Roms Carbonara-Königin Barbara Agosti erzählte, in den ersten Jahrzehnten ziemlich sicher eine Frittata, also eine Art Omelett; sie wurde nicht mit rohen Eiern zubereitet. Und es wurde der Speck untergemischt, der gerade da war, und das war selten der teure Wangenspeck Guanciale.

Viele Rezepte, die angeblich schon die Großmutter der Großmutter so gekocht hat und die von Generation zu Generation weitergereicht wurden, sind oft überraschend neuzeitlich.

Spaghetti vongole: Es gibt doch nichts Besseres.

Was nicht heißt, dass man auf die Expertise der Großmütter nicht hören sollte. Die meisten von ihnen wissen, wie die Pasta am besten gelingt. Bloß haben sie das nicht von ihren Großmüttern gelernt, sondern entweder wissen sie es aus eigener langjähriger Erfahrung oder aus einem Kochbuch.  

Und zu den Spaghetti vongole gibt es zu sagen, dass auch Roby, Grados bester Koch und mein Idol, einen Teelöffel Mehl hinzugibt, um den Sugo schön cremig zu machen. Stört mich überhaupt nicht, im Gegenteil. Und den Geschmack verändert es auch nicht.

Freitag, 12. Januar

Apropos Spaghetti vongole: Am 14. März ist es soweit, ich freue mich riesig! 

Merkt es euch vor: in eurer Buchhandlung, bei Thalia, Morawa, Hugendubel oder Amazon

Übrigens: Bei Morawa ist es schon auf Platz 3 aller Reisebücher und das zwei Monate vor dem Erscheinen! Oh, da kommt was Großes auf uns zu.

Ich wünsche euch allen ein wunderbares Wochenende, genießt die Zeit und freut euch schon ein bisschen auf eure nächste Italienreise. Bis nächsten Freitag!

Auf Instagram bin ich @buch_und_wein, schaut vorbei.

Zur letzten Mediterranen Wochenschau mit dem neuen Fischereimuseum und der Supercrema geht es hier entlang.

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