Italienische Mittagsrituale, allzu freche Möwen, ein Wal im Vatikan: Mediterrane Wochenschau CLXII

Hier kommt der einzige Newsletter, der angesichts der Wetterlage langsam aussieht wie Tim, der rasende Reporter!

Was Gewitter mit dem Haar macht. »Ne Frisur wie ’n Igel auf Wanderschaft«, hieß das früher bei uns.

Ja, wettermäßig ist ein bisschen der Wurm drin in diesem Jahr, bei euch wie bei uns. Aber es wird besser! Auf Teneriffa passt es immerhin, wie Thomas K. mir bewies:

Montag, 31. Juli

Eine scheinbar banale, jedoch hochinteressante Frage eines Lesers: Was essen Italiener eigentlich zu Mittag? »Hier in den Pizzerien und Restaurants sitzen zur Mittagszeit nur Österreicher«, wundert er sich. 

Tatsächlich sind Italiener keine großen Mittagesser. Das dürfte, wie so vieles, klimatisch bedingt sein, aber auch kulturell-soziologisch: Am Abend wird ja groß geschlemmt. Ein bisschen Obst, ein Tramezzino oder ein Toast reicht den meisten am Mittag aus – mit der Ausnahme des sonntäglichen Familienmittagessens, einem Ritual, zu dem sich alle verfügbaren Generationen versammeln und das ein Grund dafür ist, dass viele Landgasthöfe am Sonntagabend geschlossen haben, weil die Tischgesellschaften oft bis in den frühen Abend hocken bleiben.

In vielen italienischen Städten gibt es eine ganz eigene Streetfood-Kultur mit schnellen Häppchen zur Mittagszeit. In Triest sind es die mit Kren besprenkelten Schinkenbrote in den sogenannten Buffets (Tipps zu dieser tollen Stadt lest ihr hier), in Venedig die Cicchetti (alles über die Großmeisterin der Cicchetti lest ihr hier – und natürlich habe ich mich bei den 7 Millionen Häppchen spektakulär verrechnet. Wer findet den Denk-/Rechenfehler?). In Florenz gibt es das Lampredotto oder Trippe, beides Rinderinnereien, bevorzugt als Sandwich zubereitet, und in Rom, der Hauptstadt des raschen Happens (und das seit 2500 Jahren) gibt es die Reisbällchen Supplì mit allerlei Füllung, darunter Leber und Kalbsbries, in ihrer populärsten Ausführung aber mit Mozzarella: Die supplì al telefono heißen so, weil der Käse beim Auseinanderziehen des Bällchens Fäden wie Telefonkabel bilden muss. 

Das Trapizzino ist eine Erfindung des römischen Kochs Stefano Callegari. Dafür wird Pizzateig zu einer Art Eiswaffel geformt und mit allerlei Köstlichkeiten gefüllt, etwa mit pikantem Huhn oder mit Trippe, denn Römer sind leidenschaftliche Innereien-Esser. 

Das ist Stefano, der Erfinder des Trapizzino. Im Frühjahr war ich bei ihm zu Gast.

Im Gegensatz zum Panino, Hamburger oder Döner suppt nichts durch, und köstliche Saucen können üppig verwendet werden. Vor zehn Jahren bot Callegari es zum ersten Mal an, und seitdem ist ein Hype darum entstanden, der das Trapizzino über Mailand und Turin bis nach New York gespült hat. Den Namen hat er sich schützen lassen.

Dienstag, 1. August

Nachtrag: Wie ich bereits in meinem »Italien-Prinzip« geschildert habe, ist Streetfood so alt wie das Römische Reich. Im Jahr 79 brach der Vesuv aus und begrub Pompeji unter sich. Archäologen haben die Ausgrabungen auf Nahrungsmittel untersucht und die typischen Überreste einer mediterranen Diät gefunden: Fisch, Obst, Linsen, Getreide, Oliven, Nüsse. Doch sie fanden auch Reste einer metzgerisch fachmännisch aufbereiteten Giraffenkeule – übrigens den einzigen Giraffenknochen, der je auf dem Gebiet des Römischen Reichs ausgegraben wurde. Man entdeckte den Knochen in einem ganz normalen Streetfood-Restaurant. »Selbst Römer, die nicht zur Elite gehörten, hatten einen ansehnlichen, abwechslungsreichen Speiseplan und einen hohen Lebensstandard«, folgerten die Forscher.

Streetfood ist so selbstverständlich, dass es dafür überhaupt keinen italienischen Namen gibt – auch nicht im römischen Dialekt, jenem Idiom, von dem es heißt, er klinge so, als hätte der Sprechende gerade erst einen köstlichen Happen verschlungen und würde ihm nun nachschmecken.

Wichtiger Hinweis: Nennen wir es Streetfood, nennen wir es von mir aus auch Fastfood – aber es wird niemals im Gehen gegessen! Man genießt an den Stehtischen oder direkt am Tresen oder setzt sich auf die Motorhaube eines Fiats.

Mittwoch, 2. August 

Die Frecce Tricolore waren da – und das ist wie immer sehr beeindruckend und hatte einen angenehmen Nebeneffekt: Die Möwen sind in den letzten Jahren nämlich eine Spur zu frech geworden, klauen Croissants von den Tischen und Eis aus den Händen verschreckter Kinder.

Wenn aber die Jets über Grado donnern, dann gucken die Möwen dumm aus der Wäsche. Und ihnen wird klar, welche Spezies wirklich auf diesem Planeten das Sagen hat.

Donnerstag, 3. August

Hier warten wir auf besseres Wetter.

Aber es wird!

Und noch ganz zusammenhanglos ein schöner Größenvergleich aus dem Netz.

Gefunden bei Terrible Maps.

Und nochmals danke an euch alle. Schafft es die kleine Bar in Grado, die öffentlich-rechtlichen Giganten zu überholen? 

Ich wünsche euch allen ein wunderbares Wochenende.

Band 1 meiner großen Familiensaga erscheint im Dezember.

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Meine gesammelten Italien-Tipps (Venedig, Gardasee, Toskana, natürlich Grado, meine Lieblingshotels in ganz Italien…) stehen am Ende dieses Newsletters.

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