Tausend tolle Tipps: Triest

Zugegeben: Wenn der Bora weht, der hundsgemeine, bitterkalte Fallwind aus Nordost, dann ist es hier nicht so schön. Wenn der Bora in Hochform ist, gehen sogar die Möwen zu Fuß.

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Canal Grande, Triest: Was mit Kunst.

Aber wenn der Bora nicht weht (und meistens hält er sich zurück), dann ist Triest eine der liebenswertesten, sehenswertesten Städte Italiens.

Es ist bestimmt nur Einbildung, aber an manchen Tagen duftet selbst das Meer ein wenig nach Kaffee. Und das ist ja kein Wunder, denn keine Stadt ist stärker von diesem Getränk geprägt als Triest. Dabei waren, natürlich, die Venezianer wieder mal die ersten. Ein Gesandter des Dogen brachte die Bohne Ende des 16. Jahrhunderts aus dem Orient mit. Die Signori der Serenissima probierten. Und verzogen angewidert das Gesicht. Sie blieben lieber bei ihrem süßen, dickflüssigen Kakao, der aus dem neu entdeckten Kontinent im Westen kam, und überließen das merkwürdig bittere Gesöff dem Hinterland, jenen Barbaren der terraferma, die ihre Suppe noch mit der Mistgabel auslöffelten.

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Üppiges Frühstück auf italienische Art.

Triest dagegen erkannte das Potenzial und machte mit dem Kaffee das, was Venedig mit dem Salz getan hatte: Es monopolisierte den Handel. Und trommelte ordentlich für das neue Getränk. Das Marketing (»Statussymbol!« »Wachmacher!« »Medizin!« »Aphrodisiakum!«) hatte nachhaltigen Erfolg.

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Meine Meinung: Es gibt kein entzückenderes Produktlogo auf dieser Welt.

Es ist merkwürdig, dass die Stadt so selten auf der To-Do-Liste von Italien-Genießern auftaucht, ist doch die kulinarische Kultur hier wirklich einzigartig. Zunächst einmal liegt Triest direkt am Meer. Wir reden hier vom Meermeer, nicht von irgendeiner brackigen Lagune, einer Hafenanlage oder einem Flussdelta. Wir reden von gutem, klaren Wasser, das direkt gegen den Hauptplatz, die Piazza Unità d’Italia, schwappt.

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Auf der Piazza Unità d’Italia ist ein Selfie obligatorisch. (Symbolbild.)

Umschlossen wird Triest von karstigem Hinterland, in dem vorzügliche Weine wachsen; und zwanzig Kilometer Luftlinie entfernt liegt das friulanische Collio, Hort von Weltklasse-Weißweinen.

Eine weitere Triestiner Tradition ist das buffet. Ein buffet ist eine kleine Kneipe, die Ein-Euro-Wein vom Fass ausschenkt und dazu herzhafte Köstlichkeiten serviert. Schon vormittags kehren Handwerker wie Parlamentarier zum rebechin ein, dem deftigen Frühschoppen, und stimmungsvoller lässt sich kaum in die Tradition einer Stadt eintauchen.

Im Da Giovanni direkt hinter dem Theater beispielsweise trifft sich der typische Großstadt-Querschnitt, von der älteren, gepflegten Dame mit gigantischer Sonnenbrille über Banker im Anzug bis hin zu aufgeregt kichernden Teenagern, die einander lustige Bildchen via WhatsApp schicken. Hinter dem Tresen liegen insalata di tonno (Thunfischsalat mit Bohnen und Zwiebeln), calandraga (Kalbsragout) und sardelle impanade (panierte und frittierte Sardinen).

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Die Mortadella (sechs Kilo schwer) ist der Star.

Das Da Giovanni ist das stimmungsvollste buffet, aber es gibt noch ein paar weitere interessante Orte, etwa das Da Mario, das Al Vecio Canal und das Da Pepi. Im Gran Malabar lässt Krimi-Autor Veit Heinichen seinen Ermittler Proteo Laurenti speisen. Und das muss man erst einmal schaffen, einem Süditaliener wie Laurenti so viel mittägliche Deftigkeit schmackhaft zu machen!

Einer wie Laurenti wäre mit Triestiner Speisekarten überfordert, wir tedeschi hingegen verstehen vieles schnell: crafen, cuguluf, sgnape– die italianisierten Versionen von Krapfen, Gugelhupf und Schnaps, dazu gibt es kaiserfleisch, gulasch, palatschinke und strudel. Die Tradition des rebechin geht auf die Hafenarbeiter zurück, die früh mit dem Ausladen der Schiffe begannen und im Laufe des Vormittags eine Stärkung brauchten. Die Bauern, die in der Nacht das Haus verlassen mussten, um auf den Vieh- oder Gemüsemarkt zu gehen, verlangten ebenfalls nach einem zweiten Frühstück.

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Die Stadt putzt sich heraus – für den zu erwartenden Ansturm nach diesem Text.

Jetzt endlich zum Kaffee. Die Kaffeehäuser verdankten ihren Erfolg dem aufmüpfigen Bürgertum. Oder war es genau umgekehrt? Waren es erst die Kaffeehäuser, die den Wutbürgern ihre konspirativen Treffpunkte gaben, wo sie sich in Rage redeten wie heutzutage auf Facebook?

Jedenfalls bedingte das eine das andere. So trafen sich im Tommaseo die Irredentisten, die Triest lieber unter italienischer als unter österreichischer Herrschaft sehen wollten; eine Einstellung, die viele Jahre lang durchaus lebensgefährlich war. Später trafen sich im Tommaseo, im Degli Specchi, im San Marco, im Pirona und im Stella Polare Literaten wie Stendhal, Joyce, Svevo und Saba, aus der Generation der Lebenden trifft man Veit Heinichen (oft im Stella Polare) und Claudio Magris (wechselnde Präferenzen).

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Kaffeehäuser? Kaffeepalazzi!

Es ist unklar, wer zuerst das Bonmot geprägt hat, aber es erklärt perfekt, warum Künstler und Kaffeehäuser eine ideale Verbindung sind: »Im Kaffeehaus bist du unter Menschen, aber allein«. Besser kann man es einfach nicht ausdrücken. In Sachen Kaffeekultur ist es übrigens nicht so, dass es in Triest aussieht wie in Wien – es verhält sich eher so, dass es in Wien aussieht wie in Triest. Alle Triestiner Kaffeehäuser haben jenes Flair, für das der Ausdruck Grandezza erfunden wurde: verschwenderische Pracht, Marmor, Gold, Kronleuchter, elegante Bedienungen.

Nur bei den Preisen ist alles beim Alten geblieben: Im Specchi kostet der nero an der Bar noch genau einen Euro.

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Der banco im Caffè degli Specchi, Mittelpunkt des Triestiner Lebens.

Triest hat zudem eine eigene Kaffeesprache. Nicht, dass übliche Ausdrücke nicht verstanden werden, aber es ist immer gut, die Terminologie zu beherrschen: Ein Espresso heißt schlicht nero. Ein Caffè macchiato ist ein capo. Ein Cappuccino ist ein caffelatte. Und wie heißt eine Latte macchiato? Ganz ehrlich: Vergessen Sie’s. Mit einer solchen Bestellung machen Sie sich in Triest – und auch im Rest Italiens – einfach keine Freunde.

Jetzt aber zu den tausend Tipps. (Es sind ein paar weniger, aber für eine gute Alliteration gehe ich über Leichen.)

L’Albero Nascosto. Charmantes Boutiquehotel mitten in der Innenstadt von Triest; alle Sehenswürdigkeiten sind wenige Gehminuten entfernt. Zehn individuell eingerichtete Zimmer, hochwertige Möbel, zudem vier vollausgestattete Apartments für Selbstversorger in unmittelbare Nähe, darunter das »Tra Cielo e Mare« mit Traumblick. alberonascosto.it.

Riviera e Maximilian’s. Traumlage in dem historischen Gebäude aus dem Jahr 1898 mit modernem Anbau, direkt neben dem Castello Miramare und mit kleinem Privatstrand. Alle Zimmer haben Balkons mit Blick über die Bucht von Triest. hotelrivieraemaximilian.com.

Alla Dama Bianca. Ein echtes Hideaway: Winziges Hotel im romantischen Hafen von Duino, dem noblen Vorort von Triest. Nirgends lässt es sich besser auf die dümpelnden Boote blicken, und schon Rilke wurde bei dem Anblick schwermütig. Gutes Restaurant. alladamabianca.com.

Scabar. Auch die fischigen Köstlichkeiten, die im Scabar serviert werden, kommen fangfrisch aus der nächsten Umgebung. Das Scabar, seit Jahren ein Pilgerziel für Fischfreunde an der oberen Adria, ist das Lieblingsrestaurant des Wahltriestiners Veit Heinichen, denn auch Literaten können ja nicht den ganzen Tag in Kaffeehäusern herumlungern. Via Erta di Sant’Anna 63.

SaluMare. Neueröffnung in der Innenstadt: Die Fischhandlung hat ein Restaurant nebenan eröffnet und geht kreativ mit allem um, was aus dem Meer kommt. Schon eine kleine Berühmtheit sind die vielen bunten tartine mit baccalà und Oliven, mit tartara di salmone oder mit Butter und alici. Von der Decke schwebt ein aufblasbarer Nemo-Clownfisch. Via di Cavana 13.

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SaluMare: nix nix nix!

Caffè Tommaseo. Hundert Meter vom Meer und von der Piazza Unità d‘Italia entfernt, servierte man schon 1830 Kaffee, zudem wurde hier das erste Speiseeis in Triest verkauft. Die italienische Risorgimento-Bewegung, die Italien vereinen und den Nordosten des Landes der österreichischen Herrschaft entreißen wollte, nahm im Tommaseo ihren Anfang. Piazza Tommaseo 4c.

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Ein Profifoto des Tommaseo von Massimo Crivellari. Das sieht man an den Models.

Caffè degli Specchi. Nur wenige Jahre nach dem Tommaseo öffnete 1839 das Caffè degli Specchi seine Pforten. Besonders gut sind hier die Süßspeisen, die vom legendären Chocolatier Paratoner aus Pordenone zubereitet werden. Piazza Unità d’Italia 7.

Pirona. Literaten und sonstige Kreative sollten sich von der Atmosphäre inspirieren lassen: In diesem Caféhaus schrieb James Joyce, der von 1904 bis 1920 mit Unterbrechungen in Triest lebte, die ersten Sätze seines Meisterwerks Ulysses. Unbedingt probieren: die Fave triestine, ein kugelförmiges Gemisch aus Apfelstrudel und Mandelmasse. Largo Barriera Vecchia 12.

Da Giovanni. Auf zum buffet! Mein Liebling: Brötchen mit warmem Schinken und reichlich scharfem Meerrettich. Dazu gibt es kleines Bier oder einen Weißwein (Via San Lazzaro 14). Da Giovanni ist das stimmungsvollste buffet, aber es gibt noch ein paar weitere interessante Orte, etwa Da Mario (Via Torrebianca 41), das Buffet Al Canal (P. Ponterosso 2) und das Buffet da Pepi (Via della Cassa di Risparmio).

 Enoteca Bischoff. In dem historischen Gewölbe findet sich alles aus dem Friaul, aber auch eine große Auswahl an Franciacorta – die Passion der Inhaber – und toskanischen und piemontesischen Spitzenweinen. Dazu gibt es eine kleine Feinkostauswahl. Die Enothek wurde schon 1777 von einem Schweizer Immigranten in Triest gegründet. Via Mazzini 21.

Suppancig. Hier gibt es das beste Fleisch der Stadt, darunter Angus, Chianina oder maialino da latte aus der Toskana. Seit 1919 existiert die Macelleria – 100-Jahr-Feier voraus! Piazza San Giovanni 6.

Eataly. Der Lebensmittelriese ist hier in Triest etwas Besonderes, liegt er doch direkt im ehemaligen Zollamt – beim Shoppen und Schlemmen blicken die Besucher direkt aufs Meer. Loc. Riva Tommaso Gulli 1. 

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Eine Geschmacks-Boutique: Alles, was man braucht.

Antica Bottega Del Gusto. Alles Gute auf engstem Raum: Salami und Schinken von Kilometer 0 bis Kilometer 1000 (aus Spanien), üppige Käseauswahl, Konserven, Liköre und Risotti, dazu exzellente Beratung. Via delle Torri 1.

La Bomboniera. Seit 1836 werden hier Süßwaren hergestellt, darunter Cannoli alla panna, Sachertorte, Linzertorte und dobos (Kuchen aus Nussschokolade). Schnell zum Mitnehmen: der hervorragende crafen con crema. Via Trenta Ottobre 3.

Echte tausend Tipps gibt es in diesem Buch, das in ein paar Wochen erscheint. Der Autor, Stefan Maiwald, soll sich ganz passabel auskennen in der Ecke:

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Knallharte Kaufpsychologie: 9,99 Euro. Hier zu bestellen.

Wer im Kaffeehaus generell lieber liest als schreibt, findet hier einiges von mir, was schon erschienen ist. Und hier steht alles, was 2019 dazukommt.

Und wer schon in Triest ist, kann ja auch gleich im nahen Grado vorbeischauen.