Das Ende der Cappuccinojahre?

Ich habe es gern üppig. Ich mag große Teller, und ich mag große Tassen. Ich mag 200 Gramm Pasta, während die Gastronomie pro Portion üblicherweise mit 80 Gramm kalkuliert.

Deswegen habe ich, auch wenn ich es mir 15 Jahre nicht eingestehen wollte, ein Problem mit der italienischen Kaffeekultur.

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Italienisches Frühstück, Version I: kurz und schmerzlos.

Diese Espressopfützen sind schon ganz in Ordnung, aber die verdunsten ja praktisch von allein. Und man kann sich ja hier nicht die Blöße geben, am Nachmittag einen Cappuccino zu bestellen – oder, Gott bewahre, eine latte macchiato.

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Italienisches Frühstück, Version II: die Cappuccino-Variante. 

Aber: Als Buchschreiber brauche ich Treibstoff für viele Seiten, nicht den kurzen Kick für einen Halbsatz.

Und da kam es mir in den Sinn: Sollte ich es nicht einmal mit dem guten alten Filterkaffee versuchen? Jenem Filterkaffee, der meine Jugend geprägt hat? Beinahe jeden Vormittag haben wir in den Freistunden ein bis zwei Tassen davon im »Zapfhahn« getrunken, jener Kneipe gegenüber unserer Schule. Dazu eine Zigarette und ein Plausch mit den Wirten Harry und Angelika, schnell noch die Hausaufgaben abgeschrieben, und weiter ging es.

Ja, die Tasse Kaffee war ein Stück Erwachsenwerden. Kakao tranken wir nur noch heimlich, wenn keiner guckte. Oder wir bestellten kennerhaft »heiße Schokolade«, was ja was gaaanz anderes ist.

Also ließ ich es drauf ankommen. Und kaufte mir in Italien eine Kaffeemaschine. Keine von diesen Alessi-Designikonen, sondern eine schöne schäbige Büromaschine mit heißer Herdplatte.

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Kein Prachtstück. Aber sie muss ja auch nicht selbstgerecht herumfunkeln. Wie wird der Kaffee?

Denn mit Kaffee ist es wie mit Schokolade: Wir sind inzwischen alle Kenner geworden und kaufen nur von Feen bestäubte Valrhona-Schokolade oder irgendwas tief dunkel Organisches aus Ghana mit Fair-Trade-Siegel. Doch manchmal greifen wir verstohlen zu einem Riegel Kinderschokolade, um kurz in die Kindheit zu reisen.

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Manchmal gibt es nichts Besseres. Aber zurück zum Thema.

Genau diese Sache mit der Zeitreise war mein Plan für den Kaffee. Die Kaffeemaschine war also da. Nächstes Problem: Kaffeepulver für Filterkaffee, das gröber gemahlen ist als das für den Espresso. Pulver aus meiner Jugend sollte es natürlich sein. Also Jacobs Krönung. Oder, für die ganz besonderen Momente, Dallmayr Prodomo. Allein diese Produktnamen lassen uns sofort zurück in die Achtzigerjahre reisen.

Versucht das mal hier unten zu bekommen.

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Viel Auswahl, viele Kapseln, kein Filterkaffeepulver.

Also nahm ich die einzige Verpackung auf drei Regalmetern, auf der ich den Satz »für Filterkaffee geeignet« entdeckte.

Interessanterweise gab es Papierfilter (und zwar nicht im Supermarkt, sondern im Elektronikgeschäft, wo ich die Kaffeemaschine erworben hatte), aber es gab sie nur in einer Größe – one size fits all? Von wegen, ich musste den Filter mit der Schere zurechtschneiden. Immerhin: Das Gefühl kannte ich von früher, wenn man immer die Melitta-Filtergrößen 1×4 und 102 verwechselt hat. Wer denkt sich auch solche bescheuerten Namen aus?

Und dann endlich, nach 15 Jahren: mein erster Filterkaffee.

Leute, ich sag’s, wie es ist: Es war eine ganz doofe Idee.

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Völlig zurecht nicht im Bild: der erste Filterkaffee nach 15 Jahren.

Ich gebe den Versuch noch nicht auf, aber als nächstes lege ich mir eine Kaffeemühle zu. Und wer immer das liest und mich demnächst besuchen kommt, bringt mir vernünftiges Kaffeepulver mit. Deal?

Und wer sonst noch weiß, wie man vernünftigen Filterkaffee hinbekommt, der schreibt mir einfach.

UPDATE: Letzte Woche habe ich den Artikel auf meine Facebook-Seite gestellt und viele Tipps eingesammelt.

Tipp 1 von Michael: »Kaffee-Vollautomat, der sinnvolle Kompromiss für Schreibstoff kommt aus einem Kaffee-Vollautomat. Und – große Überraschung: das geht sogar ohne Zigarette (die früher den über Stunden warm gehaltenen, bitteren Filterkaffee erträglich gemacht hat). Jura – bei mir leistet die F50 seit fast anderthalb Jahrzehnten gute Dienste. Wenn Du wieder Richtung CH fährst: in Niederbuchsiten gibt es einen Werkverkauf, soweit ich weiß.«

Tipp 2 von Stefanie: »Bei der Zubereitung von Filterkaffee ist es ganz wichtig, dass das Wasser kocht. Du kaufst Dir also entweder eine Maschine, die erst das Wasser aufkocht und dann über das Kaffeepulver gibt ( z.B. Café gourmet von Philips) ,oder Du brühst selbst. Mir schmeckt da z.B. Eilles ( J.J. Darboven) gut. Für die Einzeltasse gibt’s die Jura.«

Tipp 3 von Steffen: »Schonend mit niedriger Temperatur und viel Zeit gebrannte, hochwertige Bohnen z.B. aus der Kaffeerösterei Klaus Rechenauer – dann einen Vollautomaten damit füttern…«

Tipp 4 von Lisa: »Aus langjähriger Erfahrung kann ich sagen, dass Filterkaffee am besten in Deutschland schmeckt. Und anders rum, der Espresso am besten in Italien. Mag vielleicht am Wasser liegen… Aber ich kenne das Problem. Versuche es im Sommerhalbjahr in Grado auch immer wieder aufs Neue! Also Kaffee aus Deutschland mitbringen lassen. So eine Art Carepaket.«

Tipp 5 von Albrecht: »Die Bohnen selbst mahlen bringt dich einen guten Schritt nach vorne. Und statt Prodomo & Co. auf gute Ware aus kleinen Röstereien achten. Was die Hardware betrifft: viele Leute schwören auf ein Teil namens MoccaMaster. Nicht billig, aber im Vergleich zum Vollautomaten erschwinglich.«

Die besten Bücher zum Filterkaffee gibt es übrigens hier.