In Italien gibt es einige Grenzen kulinarischer Art, beispielsweise die berühmte »Buttergrenze«, die schon den alten Römern bekannt war und etwa in der Emilia-Romagna verläuft. Oberhalb dieser Linie wird mehr mit Butter gekocht, darunter mehr mit Olivenöl.
Auch die Frage, ob Cappuccino überhaupt ein ernstzunehmendes Getränk ist, teilt das Land. (Dass Latte Macchiato das nicht ist – darüber herrscht allerdings von Turin bis Taormina Einigkeit.)
Die härteste Weihnachtsentscheidung steht unmittelbar bevor.
Doch kein Riss ist dramatischer als die weihnachtliche Frage: Panettone oder Pandoro? Beides sind typische Weihnachtskuchen, die sich in Form und Größe ähneln; der Panettone kommt aus der Lombardei und wird mit kandierten Früchten und Rosinen hergestellt, der Pandoro stammt aus Verona oder eventuell aus Venedig; die Gelehrten streiten. Doch selbst die Süditaliener sind längst auf den Geschmack gekommen. Der Konditor-Guru Sal de Riso von der Amalfiküste hat beispielsweise einen Panettone mit Limoncello und mit kandierten Orangen kreiert.
Der Panettone. Bei diesem Anblick wird jedem Italiener weihnachtlich zumute.
Der Name Panettone stammt möglicherweise von einem Küchenjungen namens Toni in Diensten Ludwigs des Schwarzen, dem Herzog von Mailand (1452-1508). Dem Küchenchef misslang die Weihnachtsspeise, und der kleine Toni rettete das Festmahl mit seiner süßen Kuchenkreation, eben dem »Pan de Toni«.
Der Puderzucker auf dem Pandoro soll den Schnee auf einer Bergspitze symbolisieren.
Auch der Pandoro hat eine interessante Entstehungsgeschichte zu bieten, denn angeblich genossen in die reichen Venezianer mit einer dünnen Goldschicht, von der sich der Name (»Goldbrot«) ableitet. Wie immer sind solche Anekdoten mit Vorsicht zu genießen, bieten aber immerhin Erzählstoff für den Weihnachtsabend.
Italienische Supermärkte müssen zu Weihnachten regelrecht umgebaut werden.
Es ist »erwachsener«, den Panettone zu mögen, weil er raffinierter und geschmacklich komplexer ist. Der Pandoro mit seiner Puderzuckerhaube gilt wegen seiner Eindimensionalität eher als etwas für die Kinder.
Doch ich liebe den Pandoro. Denn ich bin weder Fan von kandierten Früchten noch von Rosinen. Wer ist überhaupt auf die Idee gekommen, köstliche Weintrauben einfach verschrumpeln zu lassen, statt sie frisch zu essen oder wenigstens Wein draus zu machen?*
Rosinen haben einen aufdringlichen Geschmack. Sie sind narzisstische kleine Biester, die sich geschmacklich sofort in den Mittelpunkt drängen, und sie sehen für mich aus wie das, was Hasen hinten rausfällt.
Und wenn die Frage Pandoro oder Panettone endlich entschieden ist – nämlich in meiner Familie zugunsten des Pandoro –, bleibt noch die Sache mit dem Anschnitt: von oben nach unten, so dass es lange Keile gibt, oder quer, so dass hübsche Sterne entstehen? Aber diese Frage klären wir ein anderes Mal.
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*Ich weiß, man kann nicht aus jeder Weintraube Wein machen. Aber ich konnte den Gag einfach nicht liegenlassen.