Mediterrane Wochenschau, Folge VI: Die Grenzen sind offen, der Knipser ist zurück

Hier kommt der einzige Wochenrückblick, der schon morgens um Neun den zweiten Cappuccino trinkt!

Samstag, 6. Juni

Endlich mal wieder – nach fast einem halben Jahr Pause – eine Familienfeier, die sich gewaschen hat. Eine lange Tafel, ein Mittagessen, das erst um 19 Uhr endete, und ein Fußballmatch zwischendrin. Meine Schwiegereltern haben ihren jüngsten Sohn und zwei ihrer Enkel seit Januar nicht mehr sehen können, also haben wir es ordentlich krachen lassen.

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Kurz bevor es losging. Alle noch nüchtern und hungrig.

Aber reden wir über das Wichtigste: das Fußballspiel. Ich darf mit Stolz mitteilen, dass ich meinem Spitznamen »Oliver Bierhoff« alle Ehre gemacht habe. Denn ich habe trotz limitierter technischer Möglichkeiten die meisten Tore erzielt. Die Gegner bestanden zwar nur aus Sechs- bis Achtjährigen, aber der Torwart war immerhin schon 9! Natürlich habe ich auch jedes Klischee des humorlosen, ergebnisorientierten Deutschen erfüllt, der sich ohne Rücksicht durchs Kleingemüse tankt, um seine Treffer zu erzielen. Aber man muss eben auch den Jüngsten zeigen, dass sie sich ihre Erfolge hart erarbeiten müssen. Und beim Stand von 10:10 wurde das Spiel zugunsten einer zweiten Fuhre Pasta abgebrochen.

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Da lauert das Torungeheuer (in rot) auf seine Chance.

Sonntag, 7. Juni

Mit Kater und Muskelkater zugleich aufwachen: Das muss man auch erst mal schaffen.

Aber dann ging es erst einmal ans Meer. Irgendjemand muss ja den Anfang machen.

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Mit sicherem Schritt gen Süden: Hilft auch gegen den schweren Kopf.

Ich bin ja verwöhnt wie eine russische Oligarchentochter, was Badetemperaturen angeht, denn im Sommer wird die Adria mollige 28 Grad warm. Da sind 19 Grad Anfang Juni schon arg kühl, zumal ein ordentlicher Wind pfeift. Dabei weiß ich ja, dass alpine Badeseen selbst im August selten wärmer als 18 Grad sind, ich also auf ganz hohem Niveau jammere bzw. zittere.

Montag, 8. Juni

Die Wochenendbilanz: Viele, viele Österreicher und Deutsche waren (und sind noch) hier. Ich wollte natürlich nicht alle anquatschen, vielleicht hätten mich die Leute ansonsten für leicht bescheuert gehalten – aber diejenigen, mit denen ich ins Gespräch kam, sagten mir, dass sie über Slowenien gekommen sind, wo die Grenzübergänge nicht nur offen, sondern nicht einmal bemannt sind.

Nach wie vor ist die Rückkehr nach Österreich oder Deutschland wegen der vorgeschriebenen häuslichen Quarantäne ein Problem. Allerdings kann man diese entweder mit einem negativen Covid-Test umgehen. Oder man kehrt – ich spreche hier für Deutschland – erst nach dem 14. Juni zurück. Denn bis dahin sollen nach dem jetzigen Stand der Dinge die Reisewarnungen fürs gesamte EU-Ausland aufgehoben werden, wobei Spanien als mögliche Ausnahme genannt wird. Aber wir sind ja hier in Italien.

Dienstag, 9. Juni

Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg hat erstmals den 15. Juni als möglichen Termin für eine Grenzöffnung nach Italien genannt. Das wurde hier in Grado natürlich sehr gern gehört – denn langsam wird man doch nervös. Grado lebt wie kaum ein anderer Urlaubsort Italiens insbesondere von Österreichs Touristen. Das muss ich den hier Mitlesenden ja nicht erzählen. Aber ich werde dauernd auf der Straße angehalten, ob ich denn schon was weiß. Ich? Wieso ich? Nein, ich habe leider keine direkte Telefonnummer von Sebastian oder Angela.

Mittwoch, 10. Juni

Es ist offiziell: Die Grenzen von Österreich nach Italien gehen am 15. Juni um Mitternacht auf. Wenn ihr euch jetzt fragt: Wann genau – Mitternacht vom 14. auf den 15. oder vom 15. auf den 16.?, dann geht es euch genau so wie mir. Es ist die Nacht vom 15. auf den 16. Juni.

Nur für die Lombardei hat Österreich immer noch eine Reisewarnung ausgesprochen. Lombardei, das klingt irgendwie fern, nach Mailand und Bergamo, aber ihr müsst bedenken, dass es beinahe die Hälfte des Gardasees betrifft, nämlich das komplette Westufer.

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Blick vom Westufer des Gardasees. Auch schön dort!

Donnerstag, 11. Juni

Und noch eine wichtige Information: Parkplätze beziehungsweise deren Mangel sind immer ein Riesenthema in Grado. Bis zum 30. Juni sind alle blau markierten Plätze – das sind die allermeisten – gebührenfrei. Die gelben Plätze sind dagegen für Anwohner oder für Menschen mit Behinderungen reserviert, also Finger bzw. Reifen weg!

Parkplätze sind auch bei Gradesern ein hoch emotionales Thema. Es gab schon Bürgermeisterwahlen, die verloren gingen, weil einer der Kandidaten vorsichtig darauf hingewiesen hat, dass es doch nicht mehr ganz zeitgemäß sei, jedem Bewohner einen Parkplatz direkt vor der Haustür zu garantieren.

Apropos Wahlkampf: Nächstes Jahr im März wird ein neuer Bürgermeister gewählt. Das wird hochspannend (ich werde berichten, der Wahlkampf beginnt im Herbst), denn der Amtsinhaber – ein ehemaliger Rechter, der mit Hilfe einer eher linken Liste zum Amt gekommen ist (willkommen in Italien) – hat es sich mit vielen Gradesern gründlich verscherzt. Doch in der Krise hat er, wie jeder Amtsinhaber weltweit, der nicht Trump oder Bolsonaro heißt, ein klein wenig gewonnen. Politikwissenschaftler sprechen vom »Rally-‚Round-The-Flag-Effekt«: In Krisen schart man sich unters gemeinsame Banner und vergisst politische Differenzen.

Aber das soll uns erst ab dem Herbst beschäftigen. Unser Wahlkampfstudio wird bestimmt lustig! Jetzt würde ich allerdings vorschlagen, dass wir die Politik fürs Erste vergessen. Und dass ihr beginnt, die Koffer zu packen.

Die nächste Wochenschau kommt am 19. Juni.

Wenn euch die Wochenschau in Form einer E-Mail erreicht, könnt ihr sie gern an Freunde weiterleiten. Würde mich freuen!

Hier findet ihr, täglich aktualisiert, alle Informationen zu offenen Grenzen und Hotels, zu Masken und Restaurants und die Vorschriften am Strand. Schon hier sei verraten: Am Strand ist es wie immer. Nur die Sonnenschirme stehen in größeren Abständen. Und das ist eigentlich ganz angenehm.

Das neue Buch mit aktuellen Kritiken: ecco.

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