Hier kommt der einzige Newsletter, der jedes Jahr auf das Konzept »Tretbootfahren« reinfällt. Es gibt nichts Langweiligeres und zugleich sinnlos Anstrengenderes. Aber für die Nichten und Neffen zwischen 6 und 10 (»wir helfen ganz bestimmt mit!«) gehört das einfach zum Urlaub, und der Onkel, der nicht schnell genug Nein sagt, hat Pech gehabt.
Montag, 2. August
Kommt mit auf eine wirklich aufregende Reise ins unbekannte Venedig! Der Palazzo Pisani ist der geheimnisvollste Ort der Stadt, denn die Pisani-Familie gehörte über Generationen den Freimaurern an, und der Bau ist innen und außen voll ketzerischer Symbole, die bis heute nicht zu deuten sind.

Die Pisani-Familie durfte sogar, von einer päpstlichen Bulle abgesichert, verbotene Schriften sammeln, die auf dem Index des Vatikans standen. In der Bibliothek sind Reliefs von Martin Luther und Johannes Calvin angebracht – dafür wäre man überall sonst auf dem Scheiterhaufen gelandet. Leider ist die Bibliothek um das Jahr 1800 komplett aufgelöst und verkauft worden, denn die feinen Herren litten unter Geldnot.
Die Pisanis sind ausgestorben, der Palazzo gehört inzwischen der Stadt, und nun ist dort das Musikkonservatorium untergebracht, mit 400 Schülern aus aller Welt.
Privatpersonen war der Zugang verwehrt, doch wie vielen ambitionierten Schulen fehlen dem Conservatorio Benedetto Marcello die finanziellen Mittel. Daher hat sich die Initiative »Venice On Top« entschlossen, Privatpersonen Führungen anzubieten, zudem organisieren die Schüler im Sommer Konzerte im Innenhof oder im Konzertsaal. Das Geld fließt ausschließlich in die Instandsetzung des Palazzos und an die Studenten direkt. Viele von ihnen kommen aus armen Ländern und/oder aus kleineren Verhältnissen, und das Leben in Venedig ist nicht billig.
Die Konzerte kosten 30 Euro (reduziert 15 Euro), was nicht die Welt ist. Die Privatführungen dauern anderthalb Stunden und kosten 100 Euro – das ist schon etwas mehr, aber das Erlebnis ist wirklich einmalig. Auch toll: Bei den Führungen müsst ihr auf manchen Stockwerken ganz leise sein, weil gerade unterrichtet wird, und aus den Sälen klingt Musik.



Doch der Palazzo bietet nicht nur erstaunliche Symbole, sondern auch die höchstgelegene Dachterrasse der Stadt, und wer eine Führung macht, bekommt oben einen Aperitivo spendiert. Nach den vielen Stufen mehr als verdient!


Auf jeden Fall eine große Empfehlung! Die Konzerte finden noch bis Ende August jeden Samstag statt, mehr Informationen findet ihr bei Venice on Top. Und alle sonstigen Tipps zu Venedig lest ihr hier.
Dienstag, 3. August
Verweilen wir in der Serenissima: Der Fußballverein FC Venezia ist ja nach 19 Jahren und einem zwischenzeitlichen Abstieg bis in die vierte Liga zurück in die Serie A gekehrt. (Am 22. August beginnt die Saison.) Hier habe ich über den jubelnden »Autokorso« auf dem Canal Grande berichtet.
Und die Vorfreude scheint riesig zu sein. Auf Twitter – grundsätzlich kein Ort der dezenten Zurückhaltung – wird das neue Vereinstrikot als »schönstes Trikot der Welt« abgefeiert, und es ist auf offiziellem Weg nicht mehr zu kriegen. (Vermutlich sind die Fälscherwerkstätten schon an der Arbeit, so dass es Ende August für 5 Euro in den Trash-Shops hängt.)

Das schönste Trikot der Welt? Auf jeden Fall der schönste Hintergrund fürs Model! Da kommt das Eintracht-Stadion an der Hamburger Straße einfach nicht mit.
Mittwoch, 4. August
Zruück an den Strand von Grado, denn heute habe ich einen neuen Ausdruck gelernt: »abbronzatura milanese« – »Mailänder Bräune«. Nämlich die Blässe jener Büromenschen, die elf Monate lang nicht in die Sonne können und sich dann zum ersten Mal die Kleider vom Leib reißen. Bei dunkelhaarigen Italienern wirkt eine solche Blässe ja immer etwas kränklich. Und tatsächlich trafen sich zwei Freunde am Strand, und der eine (schon länger da) blickte den anderen (gerade angekommen) abschätzig an und sagte im Scherz: »Das kannst du uns nicht antun. Hättest dich doch wenigstens mal ins Solarium legen können.«
Donnerstag, 5. August
Wird ja mal Zeit: Ich lese gerade meinen allerersten Stephen-King-Roman.

Auf King bin ich gekommen, weil er ein sehr gutes Buch über das Leben und Schreiben veröffentlicht hat, was dann doch meine Neugier auf seine Werke geweckt hat. Ansonsten bin ich kein Freund des Horror-Genres, und bei Filmen wie Shining (nach dem gleichnamigen Stephen-King-Buch) erkenne ich zwar die Klasse der schauspielerischen Leistungen, der Regie und der Kameraführung an, habe danach aber schlechte Laune.
Jedenfalls werden auf den ersten 200 Seiten des Buches »The Stand – Das letzte Gefecht« mehr als hundert Personen vorgestellt, oft mit ausführlichem Lebenslauf über mehrere Absätze. Am Ende der ersten 200 Seiten sind sie alle tot – dahingerafft von einer Seuche, die laut Klappentext 99,4 Prozent aller Menschen umbringt. Muss man sich als Autor erst mal trauen! Aber ich bleibe natürlich dran; irgendwann wird ja hoffentlich mal einer überleben und die Handlung vorantreiben.
Freitag, 6. August
Heute ist der Geburtstag meiner Frau und meiner Tochter, daher fällt der Eintrag sparsam aus, denn die Großfamilie rottet sich allmählich zusammen, und irgendwo in der Ferne werden die ersten Schaumweinflaschen entkorkt.

Aber ich muss jetzt schon anmerken, dass »Laura, Leo, Luca und ich« – der Bestseller, mit dem im Jahr 2004 alles begann – am Sonntag, den 8. August, auf allen Kanälen als Kindle-Deal des Tages angeboten wird – statt für 7,99 Euro für 1,99 Euro. Da würde ich doch zuschlagen.

Hier (Amazon) oder hier (beim Verlag dtv) und auch bei vielen anderen Anbietern könnt ihr es bestellen – aber für 1,99 Euro eben nur am Sonntag.
Und jetzt muss ich los. Später wird gefeiert. Aber erst noch eine Runde Tretbootfahren.
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Euch allen ein sonniges Wochenende – die nächste Mediterrane Wochenschau erscheint pünktlich am kommenden Freitag!
[…] vorherigen Wochenschau geht es hier entlang – mit einem Besuch in Venedigs rätselhaftestem Palazzo und dem angeblich schönsten […]
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[…] hatte ja vor zwei Wochen davon berichtet, dass ich mich Stephen King angenähert habe. Daraufhin gaben mir einige Leserinnen […]
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