Der verschwundene Ingenieur und der zweibeinige Hund: Mediterrane Wochenschau LXVI

Hier kommt der einzige Newsletter, der sich eingestehen muss, dass er den Geschmack eines Kleinkindes hat. Gibt es eine bessere Süßigkeit als einen Riegel Kinderschokolade oder eine Handvoll Gummibärchen? Da könnt ihr mir alle mit euren Pistazien-Tiramisus oder Limonenschäumchen auf Feigenpipi gestohlen bleiben!

Montag, 23. August

Apropos Kleinkind und apropos Süßigkeiten: Heute rannte ein etwa sechsjähriger Junge aus Tirol oder Oberbayern (als Norddeutscher bin ich nicht so gut im Raushören von Dialekten) tränenüberströmt zu seiner Mutter. »Mein Eis war schon wieder alle«, weinte er, offenbar von der Strandbar kommend, »ich musste schon wieder das Ersatzeis nehmen.«

Ersatzeis. Eigentlich ein schönes Wort. Möge das, kleiner Junge, in diesem Urlaub das Schlimmste sein, was dir widerfahren wird.

Dienstag, 24. August

Ein Triumph, den ich in die Welt hinausrufen möchte: Ich habe am Wochenende zum ersten Mal ein Kreuzworträtsel in italienischer Sprache komplett gelöst!

Okay, es ist nur ein Buchstabenrätsel (ihr müsst anhand der Häufigkeit der Zahlen die möglichen Buchstaben raten und ergänzen), aber ich bin dennoch verdammt stolz.

Oben war ich schlechter als unten, deswegen ist das Foto auch angeschnitten.

Dann fiel mir Kurt Tucholsky ein, der sinngemäß sagte: Du beherrschst eine fremde Sprache erst dann richtig, wenn du dich beim Rasieren schneidest und spontan in ebenjener Sprache fluchst.

Italienische Flüche wären gar kein Problem, so etwas lernt man ja immer als Erstes, und ich bin diesbezüglich ziemlich fit. Das Problem ist: Ich benutze einen Elektrorasierer.

Mittwoch, 25. August

Vorab eine Warnung: An diesem Tag reden wir über ein ernstes, berührendes Thema. Wer sich das ersparen will, sollte gleich auf den Donnerstag springen.

Denn es gibt da eine Geschichte, die Grado in Atem hält. Der Gradeser Alessandro Z. (in den örtlichen Zeitungen wird sein voller Name genannt, aber das muss ja hier nicht sein), ist seit Ende Juli in Sardinien verschwunden. Komplett weg, unauffindbar. Selbstmord? Unwahrscheinlich, am Morgen hatte er noch die Waschmaschine angestellt (laut Polizei untypisch für Selbstmörder), außerdem war sein geliebter Hund (von dem noch die Rede sein wird) im angemieteten Apartment geblieben. Ein Mord? Nein – es lässt sich überhaupt kein Motiv denken. Ein bewusstes Untertauchen? Nicht plausibel, er war ein unbescholtener Mann, und dann ist da ja auch noch der zurückgelassene, heißgeliebte Hund.

Vermutlich war es ein Wanderunfall, vielleicht ein Sturz in eine Felsspalte. Die Polizei suchte drei Wochen nach ihm, auch die Angehörigen reisten nach Sardinien. Inzwischen wurde die Suche abgebrochen, und laut den örtlichen Zeitungen kehrten die Angehörigen mit einem leeren Sarg nach Grado zurück. Eine bittere Vorstellung.

Aber die Geschichte hat noch einen weiteren Leidtragenden. Ja, ich weiß, wir sollten menschliche Tragödien nicht mit tierischen Tragödien gleichsetzen, dennoch erzähle ich euch die Geschichte.

Denn Alessandros Hund Pelù ist ortsbekannt. Alessandro hat ihn einst schwer verletzt auf einer Landstraße gefunden, vermutlich von einem Auto überfahren. Er brachte ihn zum Tierarzt und pflegte ihn über viele Monate gesund. Die Hinterläufe waren aber nicht mehr zu retten und mussten amputiert werden, also baute Alessandro, ein studierter Ingenieur, für Pelù einen Rollstuhl. Und so gingen er und Pelù, den wir uns als glücklichen Hund vorstellen müssen, täglich durch Grado Gassi.

Das ist Pelù im Rollstuhl, den sein verschwundenes Herrchen konstruiert hat. (Foto: Il Piccolo)

Der kleine Pelù hat also zwei Schicksalsschläge hinnehmen müssen: Den Verlust seiner Hinterbeine – und nun den Verlust seines Herrchens. Derzeit wird nach einem neuen Frauchen oder Herrchen gesucht. Wer jemanden kennt: Ich leite die Mails gern weiter. (stefan.maiwald@golfmagazin.de, wisst ihr ja.)

Donnerstag, 26. August

Okay, reden wir wieder über die schönen Dinge des Lebens: übers Essen und Trinken. Denn immer wieder werde ich von Leserinnen und Lesern gefragt: Es müsste in Grado doch Kochkurse geben. Oder Italienischkurse. Oder kombinierte Koch- und Italienischkurse. Ich hätte alle Köche an der Hand, ich hätte die Location, und ich habe mir schon oft überlegt, so etwas selbst zu organisieren.

Mein Kumpel Roby ist der beste Koch in Grado, er hätte auch Lust drauf. Er hat mir gezeigt, wie kinderleicht es ist, Fisch auszunehmen und zuzubereiten, und sein Spaghetti-Vongole-Rezept schaue ich mir auf meinem eigenen Blog immer wieder an und koche es nach, ohne dass es schief geht. Ich kenne viele weitere Köchinnen und Köche, die darauf Lust hätten.

Würdet ihr diesen Herren eure Pfannen anvertrauen?

Die Kochkurse, die ich selbst bislang in Italien und sonstwo mitgemacht habe, waren eigentlich immer enttäuschend: eher Prosecco-Trinken mit ein paar Küchenanekdoten als echtes Lernen. Man müsste es wirklich intensiv aufziehen, fünf Tage lang, vielleicht unterteilt in Antipasti, Pasta, Fisch… ihr wisst schon. Damit ihr richtig was mitnehmt für daheim.

Wir machen jetzt Folgendes: Ich frage einfach mal hier, wie das Interesse daran aussieht. Und dann sehen wir weiter. Schreibt mir! Natürlich völlig unverbindlich, aber erzählt mir…

  • Was müsste für euch bei einem Kochkurs dabei sein?
  • Drei, vier oder fünf Tage – würdet ihr da mitmachen?
  • Wäre für euch ein kombinierter Koch- und Italienisch-Kurs denkbar? (Am Vormittag Italienisch, am Nachmittag Kochen oder umgekehrt?)
  • Welche Zeit im Jahr fändet ihr ideal? (Im Hochsommer will ja jeder lieber unterm Sonnenschirm liegen) – Frühjahr? Herbst? Winter?
  • Und sonst so?

Wie immer an stefan.maiwald@golfmagazin.de. Ich bin gespannt!

Freitag, 27. August

Ich kann mit einiger Erleichterung sagen, dass schon wieder zwei befreundete Familien, die zum ersten Mal in Grado waren und sich nach meinen Tipps gerichtet haben, mir anschließend von einer höchst befriedigenden Woche berichteten. Denn ein bisschen Stress ist ja immer dabei, wenn man Freunde (und auch Unbekannte) am Abend in eine volle Trattoria schickt. Man fühlt sich ein kleines bisschen unter Druck. Völlig bescheuert, aber das ist nun mal so. Ich werde nicht vergessen, wie mich eine mir völlig unbekannte Leserin nach einem »schönen Restaurant« (?) in Venedig für ihren Geburtstag fragte, und ich empfahl ihr drei oder vier, und sie ging in eines davon und erlebte einen offenbar wenig zufriedenstellenden und »viel zu teuren« Abend, den sie mir anschließend per Mail wortreich schilderte. (Alle Venedig-Tipps stehen gebündelt hier.)

Aber das ist auch die einzige Beschwerde, die ich bislang bekam. Das heißt, halt: Ein Leser musste vor ein paar Wochen so lange in einer von mir geschätzten Aperitivo-Bar in Grado auf die Bedienung warten, dass er gegangen ist. Daher gibt es nächste Woche einen tollen Trick (von meinem Schwiegervater gelernt), wie ihr jede Bedienung sofort und für immer an euch bindet.

Jetzt ist die Woche schon wieder um, dabei gibt es noch so viel zu erzählen: Heute bin ich zum Beispiel in der örtlichen Zeitung, weil ein alter Skandal von 2018 wieder hochkocht – erzähle ich euch nächste Woche gleich als Erstes!

Denkt an Pelù. Und an einen möglichen Kochkurs in Grado, der euch richtig was beibringt. Schreibt mir. Und genießt das Wochenende!

Die letzte Wochenschau verpasst? Hier entlang.

Die nächste Wochenschau erscheint wie immer pünktlich am kommenden Freitag.

Die Hintergründe zu meinem Bestseller? Danke, dass ihr fragt! Bitteschön.

Wenn ihr diesen Newsletter per Mail bekommen habt, schickt ihn gern weiter, auch wegen des tapferen Hundes und der Kochkurse. Dann machen wir eine richtige Welle!

Jetzt aber: Bis nächsten Freitag!

Ein Kommentar

Kommentare sind geschlossen.