Der alles richtig macht

Es gibt solche Menschen. Menschen, die ihr Leben dermaßen geschmeidig gestalten, dass man sofort mit ihnen tauschen möchte. Roberto ist so einer. Manchmal kocht er in den Restaurants von Grado, aber nur, wenn er es einrichten kann. Ansonsten verbringt er seine Zeit mit Fotografieren und dem Fischfang. Er ist ein gutaussehender Bursche und bewegt sich aufgrund seines Lebensstils lächelnd und braungebrannt durch die Welt, und in der Hochsaison fallen ihm regelmäßig Österreicherinnen in die Arme. In kulinarischer wie kreativer Hinsicht ist er Selbstversorger.

Roberto ist Gradeser seit unzähligen Generationen, was hier sehr wichtig ist, und ich wollte von ihm lernen, wie man Spaghetti vongole macht. Fast jeder von uns erinnert sich mit Wonne daran: Spaghetti vongole, irgendwo an einem der italienischen Meere im Sonnenuntergang genossen, mit dem Duft der Macchia in der Nase und einem kühlen Weißwein daneben. Das Leben ist gut, und der Sonnenbrand auf den Schultern tut schon gar nicht mehr so weh. Interessanterweise sind Spaghetti vongole ein erklärtes Lieblingsessen vieler Spitzenköche. Und mein Lieblingsrezept ist es auch, vor allem jetzt, seit ich weiß, wie man es hinbekommt.

An genau jenem Tag, als Roberto mich zu seinem Küchengehilfen ehrenhalber ernannte, hatte er einen prominenten Gast zu bekochen, denn die Sängerin Elisa kam zu ihm. Elisa kennen Sie nicht? Zugegeben, sie ist in Italien größer als in Deutschland, aber sie ist auf dem Weg zum Weltstar, nicht zuletzt, weil ihr wichtigster Förderer Ennio Morricone heißt, der geniale Filmkomponist (»Spiel mir das Lied vom Tod«, »Für eine Handvoll Dollar«). Morricone, der große alte Mann der guten und richtigen Musik, komponierte auch die Stücke für Quentin Tarantinos Film »Django Unchained«. Die Titelmelodie »Ancora Qui« aber komponierte und sang Elisa – sie spielte bei der Aufnahme auch alle Instrumente selbst ein.

Aber es geht nicht um künftige Gianna Nanninis, sondern um die Spaghetti vongole, die größer sind als jeder vergängliche Ruhm. Und dieses fabelhafte Gericht ist ganz einfach, wenn man sich an Roberto hält und nicht an Kochrezepte, zumal die paranoiden. Deutsche Rezepte reden davon, die Venusmuscheln lange und ausdauernd unter kaltem Wasser zu spülen, gar stundenlang in einem Wasserbad aufzubewahren. »Auf gar keinen Fall!«, schimpft Roberto. Es geht ja gerade darum, den Meeresgeschmack zu erhalten, daher: entschlossen mit kaltem Wasser abspülen, das muss reichen. Danach: Finger weg von kräftigem Olivenöl, dessen Eigengeschmack für die Muscheln zu mächtig ist, stattdessen mildes Olivenöl oder Sonnenblumenöl in die große Pfanne. Ein paar Zehen Knoblauch schön klein hacken. Wenn das Öl brutzelt und der Knoblauch golden glänzt, Muscheln dazu, Pfeffer und einen Schuss Weißwein. Deckel drauf. Kein Salz in die Muscheln geben! Sie sind, sofern sie nicht panisch ausgespült wurden (siehe oben), salzig genug.

Nebenbei kommen die Spaghetti in einen großen Topf und werden in Salzwasser al dente gekocht, mindestens eine Minute weniger als auf der Packung angegeben. In einem Schälchen mixen wir Öl mit etwas Mehl, nicht mehr als einen Teelöffel. Wenn sich die Muscheln öffnen, geben wir die Mixtur hinzu, das macht die Sauce dickflüssiger. Gern auch noch eine Kelle Nudelwasser in die Muschelpfanne geben. Ganz am Ende frisch gehackte Petersilie hinzugeben. Deswegen ganz am Ende, damit die Petersilie grün und frisch bleibt.

Die Spaghetti im Nudelsieb kurz abtropfen lassen (niemals kalt abspülen), zur Muschelpfanne hinzugeben, schön durchmischen, servieren. Ganz wichtig: Die Nudeln gehören in die Muschelpfanne, nicht umgekehrt. Was noch schlimmer ist: die Nudeln auf den Teller portionieren und die Muscheln aus der Pfanne drübergeben. Nein, alles ordentlich in der großen Muschelpfanne vermischen. Das Nudeln-zur-Sauce-Prinzip gilt übrigens für alle Nudelgerichte.

Roberto verrät mir zwei Möglichkeiten, das Gericht zu verfeinern. Erstens als sommerliche Variante: etwas Orangenschale drüberhobeln. Dabei nicht zu tief hobeln, denn die Schale selbst ist süß, die Haut zwischen Schale und Fruchtfleisch eher bitter. Zweitens als winterliche Variante: bottarga – Rogen von Thunfisch, Schwertfisch oder der Meeräsche – drüberhobeln. Das macht das Gericht schwerer, fischiger, reichhaltiger. Und überzeugte auch die wunderbare, sehr tätowierte Sängerin aus Monfalcone, die sich anschickt, die Welt zu erobern.

Das mit dem Fotografieren, dem Fischfang und den Österreicherinnen will mir Roberto auch noch beibringen.

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