Die Henker, das Hochwasser, die Bäcker und der König mit Humor: Mediterrane Wochenschau LXXXI

Hier kommt der einzige Newsletter, der das Brot auf dem Tisch plötzlich mit ganz anderen Augen sieht! (Wartet bis zum Mittwochs-Eintrag.)

Alle aktuellen Viren-Entwicklungen lest ihr wie immer hier.

Sonntag, 5. Dezember

Bezugnahme mit Bildungsauftrag! Im letzten Newsletter hatte ich eine Spur zu selbstbewusst behauptet, Impfpflicht sei »wahrscheinlich« das einzige deutsche Wort mit Doppel-pf. Aber es gibt, wie mir einige Leserinnen und Leser schrieben (denn wir sind hier unter klugen Leuten), ja noch mindestens zwei, nämlich die Topfpflanze und die Sumpfpflanze. Bei den mir ebenfalls genannten Wörtern Dampfpfeife und Dampfpfanne wollte ich den Brockhaus-Test machen, aber weil der Brockhaus irgendwo in einem Braunschweiger Keller steht, habe ich den Wikipedia-Test gemacht: Dampfpfeife hat tatsächlich einen eigenen Eintrag und wird daher von mir akzeptiert. Dampfpfanne dagegen kommt zwar im Netz ein paar Mal vor, aber – nein, es gibt keinen Wikipedia-Eintrag. Nix da!

Erst wenn jemand von euch daheim einen Brockhaus stehen hat und tatsächlich einen Eintrag zum Stichwort Dampfpfanne findet, gebe ich mich geschlagen.

Montag, 6. Dezember

Ein schönes Nikolausgeschenk: Denn die österreichische Presse präsentiert ihren Lesern nicht nur dauernd einen neuen Bundeskanzler, sondern auch einen neuen Alpenkrimi.

Die Kronenzeitung ist die größte Tageszeitung Österreichs, sagt die Kronenzeitung.

Ein Bundeskanzler wird in Österreich übrigens nicht vereidigt, sondern »angelobt«. Anloben – was für ein tolles Wort! Ich will auch mal für irgendwas angelobt werden!

Mittwoch, 8. Dezember

Direkt aus Alba: Einmal im Jahr muss es sein. Auch wenn ich ein hartes Ziehen im Geldbeutel spüre. 

Keine Schleichwerbung für die Firma Tartuflanghe meines Kumpels Paolo – sondern eine eindeutige Kaufempfehlung.

Und weil wir gerade so schön bei Trüffeln und Barolo zusammensitzen: Vor ein paar Wochen habe ich mich an eine systematische Sammlung der italienischen Rituale rund ums Essen und Trinken gemacht. 

Da wäre zum Beispiel die kuriose Sache mit dem Brot: Es darf nie »umgedreht« (also mit der runden Seite nach unten) auf den Tisch oder in den Korb gelegt werden, denn das bringt Unglück. Dafür gibt es zwei Erklärungen. Dahinter steckt zum einen, dass das Brot den Leib Christi symbolisiert und daher mit besonderem Respekt zu behandeln ist. 

Zum anderen soll der Brauch in Frankreich entstanden sein. Die von den örtlichen Gerichten bestellten Henker waren die meistverachteten Menschen in der Gemeinde, niemand wollte mit ihnen zu tun haben. Die Bäcker weigerten sich beispielsweise, ihnen Brot zu verkaufen – und wenn, dann nur jenes von niedrigster Qualität. Daher erließ König Karl VII. ein Gesetz, das die Bäcker dazu verpflichtete, alle Kunden gleich zu behandeln – »und wenn die Bäcker keine Henker als Kunden haben wollen, dann werden die Bäcker bald Kunden der Henker.« 

Die stolzen Bäcker verkauften den Henkern sodann das Brot, aber sie reichten es mit einer despektierlichen Geste über den Ladentisch, nämlich mit der Oberseite nach unten.    

Und nächste Woche erzähle ich euch, warum das Verschütten von Olivenöl Unglück bringt, das Verschütten von Wein aber (fast) immer Glück!

Donnerstag, 9. Dezember 

Augen auf beim Kauf von Weihnachtsgeschenken, jedenfalls hier in Italien. Meine Tochter hat sich letztes Jahr einen Harry-Potter-Schal gewünscht, natürlich in den Farben von Harrys Hogwarts-Haus Gryffindor. Seitdem wird sie überall darauf angesprochen, warum sie jetzt Fan vom AS Rom sei. Seht selbst:

Links: Harry Potter. Rechts: AS Rom

Nein, mit diesem Schal solltet ihr euch nicht bei Lazio blicken lassen.

Freitag, 10. Dezember

Oha, das waren zwei üble Regentage hier in Italien. All das, was in den Alpen und vermutlich auch bei euch im Flachland an Schnee runtergekommen ist, hatten wir hier in allzu flüssiger Form. Auch in Mailand, in Turin und weiter im Süden – sogar in den Bergdörfern Siziliens! – hat es kräftig geschneit. Und in Grado hat es mal kurz nach Hochwasser ausgesehen, aber glücklicherweise schwächte der Scirocco (der Südwind, der jedes Hochwasser in Grado und Venedig verstärkt) rechtzeitig ab.

Außerdem war das Hochwasser kurz nach Mitternacht angekündigt, und das wäre ja nicht sehr fotogen gewesen.

Ab heute und für die ganze nächste Woche erwarten uns ruhige, sonnige Tage. Nur, falls ihr nichts vorhabt. In Grado sind auch einige Restaurants nach der ortstypischen Novemberpause wieder geöffnet, zum Beispiel Laura & Christian – Spaghetti House, der erklärte Liebling vieler, die hier mitlesen. Ich soll euch alle grüßen!

Zitat der Woche

»Abergläubisch zu sein ist ein Zeichen von Dummheit. Aber es nicht zu sein bringt Unglück!« – Eduardo de Filippo, Autor und Regisseur, passend zu dem zentralen Thema dieser Wochenschau.

Die meistgelesene aller meiner Wochenschauen? Diese hier. Wenn ich nach dem Titel gehe, dann seid ihr wohl kleine Romantiker!

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Die nächste »Mediterrane Wochenschau« erscheint wie immer am kommenden Freitag.

Ihr findet mich auf Facebook und auf Twitter (@stefanmaiwald) – und hoffentlich bald auch wieder auf Instagram.

Weihnachten ganz stressfrei: Alles über meine Bücher lest ihr hier.

Ich wünsche euch allen eine wunderbare Woche!