Willkommen in Italien! Wir alle wissen inzwischen, dass wir am Ende des Abends keinen Cappuccino mehr trinken dürfen, dass die Bedienung nicht herbeigeschnipst werden soll – zugegeben, das trifft in jedem Land zu –, und dass sich fade Mafia-Witze einfach nicht gehören. Und die gefürchtete Pizza Hawaii bestellen wir schon lange nicht mehr, sie passt nur so schön als Schockbild.
Merkel ist nicht schuld – die Pizza Hawaii wurde von einem Griechen in den USA erfunden.
Es heißt auch nicht »Expresso«, und niemand von uns sagt mehr »Pinot Kkkrrritttschio«. Außer meiner Mutter, aber die darf das, denn sie ist ja meine Mutter, und für all das, was sie sich von ihrem pubertierenden Sohn damals anhören musste, ist es nur fair, dass ich immer zusammenzucke, wenn sie in einem italienischen Restaurant ihren Lieblingswein bestellt.
Egal, wie man ihn ausspricht: Schon der Anblick wirkt beruhigend.
Aber es gibt ein paar Fettnäpfchen, in die auch erfahrene Italien-Reisende und sonstige italophile Menschen gern tapsen. Ich selbst bekenne mich zum Beispiel zu Punkt 2 vollumfänglich schuldig und brauchte Jahre, bis ich es kapiert hatte.
Hier kommen fünf Fettnäpfchen für Fortgeschrittene:
- »Uno vino, per favore.«
Italiener schätzen es, wenn sich Ausländer in ihrer Landessprache versuchen, und im Gegensatz zu Franzosen schauen sie großzügig über die meisten Fehler hinweg. Doch drei Dinge schmerzen italienische Ohren wie Fingernägel auf Schiefertafeln.
Erstens: »Uno« (»Eins« – das Zahlwort) als unbestimmten Artikel benutzen. »Uno vino, per favore« ist falsch, es ist »un vino«. In ganz, ganz seltenen Fällen ist »uno« als unbestimmter Artikel tatsächlich richtig, aber das trifft auf so wenige Wörter zu, dass Sprachlernende das »uno« lieber komplett aus ihrem Wortschatz verbannen sollten. »Uno scoiattolo« ist zum Beispiel richtig – »ein Eichhörnchen«. Brauchen Sie am Adriastrand eher selten.
Zweitens: »Canale Grande«. Nein, der berühmteste Kanal der Welt, der in einer eleganten Schleife Venedig zerteilt, heißt Canal Grande. Weg mit dem ersten E!
Bildhübsche tomati.
Drittens: »tomato« klingt wie das perfekte italienische Wort, existiert aber im Italienischen nicht. Die Tomate heißt ganz poetisch »pomodoro«, Goldapfel.
- Die Ciao-Problematik.
Italiener! Immer so gut gelaunt! So freundlich! Und die Sonne scheint! In meinen ersten Jahren in Italien lief ich als regelrechte Duzmaschine durch meine neue Heimat, warf die Ciaos wie Küsschen nach links und rechts und beging sogar den unverzeihlichen Fehler, meine künftigen Schwiegereltern bei der allerersten Begegnung mit »Ciao!« anzureden. Italienische Freunde meinen, es sei ein mittleres Wunder gewesen, dass die Ehe danach überhaupt zustande kam.
Hier ist ein »Ciao« ausnahmsweise völlig in Ordnung.
Also: Das Ciao ist Freunden vorbehalten. Fremde, flüchtige Bekannte und Amtspersonen (die vor allem!) grüßt man mit Buongiorno oder Buonasera. Als mir nach vielen Jahren meine fortgesetzten Fauxpas bewusst geworden waren, ging ich dazu über, vorsichtshalber alles und jeden förmlich anzureden, auch jene, die mir längst das Ciao angeboten hatten. Das wurde mir dann schnell als Arroganz ausgelegt. Es ist nicht einfach, die richtige Mischung zu finden.
- Carabinieri und Polizei.
Man sollte es sich mit den Carabinieri nicht verscherzen. Und deswegen sollte man sie nie als »Polizisten« bezeichnen, das empfinden sie tatsächlich als Beleidigung. Die Carabinieri, auf Deutsch frei mit »Gewehrträger« übersetzt, sind nämlich eine Einheit der italienischen Streitkräfte, mehr Soldaten als Polizisten. Die Polizei ist in Italien weitgehend für Verkehrs- und kleinere Delikte zuständig, und dann gibt es natürlich noch die vigili, die Guardia di Finanza, die Polizia penitenziaria und noch ein paar Einheiten mehr. Und es gibt auch jede Menge Ausnahmen, oft ermittelt auch die Polizei in schweren Kriminalfällen – Zitat eines Insiders: »Je nachdem, wer zuerst am Tatort ist«. Diese bunte, verwirrende und mitunter ineffektive Vielfalt gibt es in vielen mediterranen Ländern und soll verhindern, dass ein Polizei- oder Militärkörper zu mächtig wird.
- Die romantischen Fischer.
Netzeflicken ist eine miese, mühselige Arbeit. Doch nichts lässt uns Deutsche schneller den Fotoapparat (oder das Handy) zücken als ein Fischer, der vor seinem Boot sitzt und sein Netz in Fangform bringt. Würden Sie sich gern ungefragt in Ihrem Büro beim Bearbeiten des Steuerbescheids vom Oktober 2017 fotografieren lassen, ungefragt? Fragen Sie kurz. Ein »posso« reicht meistens. Und ein »no« – was nur selten als Antwort kommt – sollte dann auch klaglos und freundlich lächelnd akzeptiert werden.
Netze mal ohne Fischer – auch schön. Und niemand muss um Erlaubnis gefragt werden.
- Italienische Politik.
65 Regierungen in 72 Jahren seit der Gründung der Repubblica Italiana – wir Deutschen zitieren diese Statistiken mit freudigem Schauer. Und auch die Italiener selbst leiden bitterlich unter ihren Politikern, die sie gern »la casta« nennen, »die Kaste«. In keinem Land verdienen die Politiker mehr, in keinem Land haben sie mehr Privilegien. Doch auf Belehrungen aus dem Ausland verzichten Italiener gern. Über ihre Politiker zu schimpfen sollte ein Privileg der Italiener bleiben. (Wenn allerdings »la Merkel« für alles Unglück, das den Italienern in den letzten Jahren widerfahren ist, verantwortlich gemacht wird, dann darf man durchaus mit einer differenzierteren Meinung widersprechen. Aber inzwischen heißt der neue Bösewicht Macron, la Merkel ist irgendwie aus der Schusslinie geraten.)
- Das Kartoffel-Dilemma.
Ich weiß, in der Überschrift war von »fünf Fettnäpfchen« die Rede, aber hier kommt das sechste; ich wollte die wohlklingende Alliteration nicht aufgeben. Also: Wann immer es in Italien ums Essen und Trinken ging und ich mitreden wollte, setzte ich zu meinem Kartoffel-Monolog an. »Ich liebe Kartoffeln. Es geht nicht über gut gemachte Kartoffeln. In Deutschland gibt es wirklich ausgezeichnete Kartoffeln« undsoweiter. Das Problem ist nun folgendes: Patata oder Patatina heißt nicht nur Kartoffel, sondern ist auch, nun ja, eine verniedlichende Bezeichnung für das weibliche primäre Geschlechtsorgan. Ich habe bis heute nicht verstanden, was eine unförmige Kartoffel mit all dem zu tun hat. Aber ich werde es herausfinden.
Ich bin ganz verrückt nach Kartoffeln. (Auf Italienisch ein verfänglicher Satz.)
Es gibt noch jede Menge anderer Fettnäpfchen, zum Beispiel im Restaurant – von »una pasta in due« bis »für mich nur einen Salat«. Aber Restaurantbesuche sind ein eigenes Thema. Übrigens sollten wir Deutsche uns nicht die berühmt-berüchtigte »Pizza Würstel« in die Schuhe schieben lassen – die wird nämlich auch von waschechten kleinen Neapolitanern gern verputzt, wie ich wöchentlich miterleben darf.
Wer hat noch mehr Fettnäpfchen zu bieten? Schreibt mir!
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Oder lest meinen bislang erfolgreichsten Text auf diesem Blog, der seit einem Monat durch die sozialen Medien rauscht: »Das Italien-Prinzip: So geht Glück!«
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