Mediterrane Wochenschau XIV: Die geheimnisvolle Postkarte, Windhosen und Venedig im Bademantel

Hier kommt der einzige Newsletter, der findet, dass die Brioches mit Creme- oder Schokoladenfüllung viel besser schmecken als die Brioches mit der üblichen Marmeladenfüllung!

Samstag, 1. August

So, den heißesten Tag des Jahres haben wir hinter uns gebracht. Ich hatte das Gefühl, der Asphalt würde unter meinen Füßen kleben bleiben. Es war schon eine brutale Angelegenheit, aber wir wollen ja nicht jammern. Die Strände waren voll, die Restaurants am Abend auch, und bald sollen ein paar gewittrige Tage folgen.

Sonntag, 2. August

Ein Leser machte mich darauf aufmerksam, dass der Sport namens »Pitschpatsch« aus einer der letzten Wochenschauen sehr wohl einen echten Namen habe und »Frescobol« heiße. Aber dieses Pitschpatsch-Beachtennis und seine ärmlichen Plastikbrettchen mit dem edlen Frescobol aus lackiertem Holz zu vergleichen, das ist etwa so, als würden Sie entweder gegen mich oder gegen Roger Federer spielen.

Aber besagter Leser brachte mich auf die Idee, bei saltonwood.com aus München einen formschönen Frescobol-Satz zu bestellen. Letzten Sonntag gab ich online die Bestellung auf, letzten Donnerstag war das Paket bei mir auf der Insel. Soviel zum Thema italienische Post – sie ist definitiv besser als ihr Ruf!

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Und heute trat ich erstmals gegen meine Tochter an. Es lief viel schlechter, als ich, ein bis in jede Faser austrainierter Pitschpatsch-Athlet, erwartet hatte, denn mit den Saltonwood-Schlägern kann man den Ball praktisch von einem Ortsteil zum nächsten prügeln. Daran muss man sich erst mal gewöhnen. Aber es ist natürlich der großartigste Sport überhaupt. (Nach Golf.)

Dienstag, 4. August

Ui, das Gewitter hat definitiv gehalten, was die Vorhersage versprochen hatte. Es regnete und stürmte so heftig, dass sich unsere Wohnzimmerfenster nach innen wölbten. Ein echte mediterraner Monsun samt mehrerer Windhosen, was sehr dramatisch aussah.

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Foto von unserer Dachterrasse in Richtung Lagune. Beachtet das aufwirbelnde Wasser!

Aber es war dann auch schnell wieder vorbei, und das süße Strandleben konnte fortgesetzt werden, nachdem alle in drei Kilometern Entfernung ihre Badetücher und Gummiboote eingesammelt hatten.

Mittwoch, 5. August

Irre Entwicklung in Sachen Postkarte! Ihr erinnert euch? Die Postkarte aus dem Jahr 1929, von Venedig nach Paris geschickt und im Juli 2020 von mir in einem Antiquariat in Grado gefunden:

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Gleich nach Veröffentlichung der letzten Wochenschau schrieben mir Leserinnen Jana L. und Maria N., dass die gut zu entziffernde Adressatin den eigentümlichen Namen Gulbenkian trägt. Calouste Gulbenkian, ein gebürtiger Armenier, war damals der reichste Mann der Welt, lebte 1929 in Paris und hatte oft beruflich in Venedig zu tun, was das ungewöhnliche Reisedatum (12. Dezember) erklären könnte.

Die Adresse haben wir mittlerweile sicher entziffert:

Madame A. Gulbenkian, 38 Rue Desbordes Valmore, Paris

Das liegt im 16. Arrondissement, eine noble Wohngegend.

Allerdings hieß Calouste Gulbenkians Ehefrau Nevarte, jedoch mit Zweitnamen Adéle.

Robert P., Nicole K.-N. und Silke P. kamen beim eigentlichen Text bislang am Weitesten:

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Bien reçu ta lettre, merci. (Unleserlich) a trois (?). Attends te lire. Nicole K.-N. vermutet eine Art Steno- oder Kurzschrift, was den zweiten der drei Sätze so unleserlich macht. Und so steht »Attends te lire« im dritten und letzten Satz wohl für »J’attends de te lire«. Ein Schlüssel zum Mysterium wäre auch der Name des Absenders. Die letzten drei Buchstaben können ein »-ard« sein.

Wer kann mehr entziffern? Eine Reise im Dezember in Venedig war damals wirklich ungewöhnlich – und auch noch gerade sechs Wochen nach dem Schwarzen Donnerstag und dem Beginn der Weltwirtschaftskrise! Wenn sie wirklich aus dem Dunstkreis des einst reichsten Mannes der Welt kommt, wäre das natürlich ein dickes Ding.

In jedem Fall bleibe ich dran!

Aber wie diese Postkarte dann aus Paris ausgerechnet ins kleine Grado gekommen ist, also nach 91 Jahren beinahe wieder zurück nach Venedig, werden wir wohl nie herausfinden.

Donnerstag, 6. August

Hier kommt ein Buchtipp. Ich weiß, ich bin spät dran mit der Elena-Ferrante-Verehrung, aber das ist schon ungemein groß, was sie (bzw. er) mit ihren/seinen Neapel-Büchern erschaffen hat. Und ich lernte, dass man bis in die 1960er-Jahre in Süditalien kaum Geburtstage feierte, sondern stattdessen die Namenstage. Als protestantischer Niedersachse habe ich überhaupt erst in Italien von der Existenz von Namenstagen erfahren, und tatsächlich wird mir am 26. Dezember (Santo Stefano) regelmäßig von der Großfamilie gratuliert. Sehr nett!

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Aber wieso sie/er? Weil Elena Ferrante ein Pseudonym ist, hinter der sich eine geheimnisvolle Person verbirgt, der es gelungen ist, ihre Anonymität zu wahren. und das seit 1992. Lange hielt man die Übersetzerin Anita Raja für die Autorin, inzwischen vermutet man eine Zusammenarbeit von Raja mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Domenico Starnone.

Aber alles egal: Es sind wirklich beeindruckende Werke. Lasst euch von der etwas kitschigen Umschlaggestaltung von Band 2 nicht täuschen. »Was Dickens für London war, ist Ferrante für Neapel«, schrieb die Süddeutsche Zeitung.

Freitag, 7. August

Zwei runde Geburtstage in der Familie am selben Tag, und das in Italien – es war ein aufreibender Abend. Deswegen liege ich derzeit verkatert in der Strandliege und kann, wenn mich jemand was fragt, nur rudimentär reagieren. Wenn ich die Hand hebe, heißt das »Ja«, wenn ich nur den Zeigefinger hebe, heißt das »Nein«. Ihr kommt gut ohne mich ins Wochenende, hoffe ich.

Und von Venedig im Bademantel habe ich jetzt gar nichts mehr erzählt – egal, mache ich nächste Woche!

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Aktuelle Entwicklungen in Italien (Grenzen, Masken etc.) stehen hier.

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Zur vorigen Wochenschau geht es hier entlang.

Tipps für Grado gibt es hier.

Und wenn ihr alles über Venedig wissen wollt, habe ich hier einen Überblick angelegt: Tipps für jedes Budget, Hotels, Restaurants, Bars… Sogar ein paar Geheimtipps sind dabei, versprochen!

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Die nächste Wochenschau erscheint am 14. August, bis dahin euch allen eine sonnige Zeit!