Cappuccino aus Pappbechern und Blick auf den Canal Grande: Mediterrane Wochenschau XLII

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Sonntag, 28.2.

Weil wir in den letzten Monaten nicht ordentlich reisen konnten, dann sollten wir die wenigen Tage, die wir rausdürfen, ganz besonders nutzen. Ich musste beruflich für ein paar Interviews und Recherchen nach Venedig (und mit einem Presseausweis ist man ja immer entschuldigt – ich weiß, es ist mir selbst peinlich), also haben wir es krachen lassen und uns im wunderbaren The St. Regis direkt am Canal Grande einquartiert.

Das ist der abendliche Blick von unserer Suite 1201.

Das St. Regis hatte verdammt viel Pech: Es eröffnete nach fast dreijähriger Umbauzeit im August 2019 – und im November 2019 kam das Hochwasser, das ja schon als Jahrhundertkatastrophe galt; die Pflanzen aus dem Garten wurden bis zur Fenice-Oper gespült. Aber dann, dachte man, war alles vorbei, was für schlimmere Dinge könnten denn jetzt noch passieren? Zwei Monate später kam Corona; und weil Luxushotels in Venedig nahezu ausschließlich von US-Amerikanern, Russen und Asiaten besucht werden, brach der Reisemarkt gründlich zusammen.

Immerhin: Das St. Regis blieb 2020 tapfer geöffnet, machte erst im zweiten Lockdown im November 2020 wieder zu und öffnete dann wieder am 12. Februar. Leute, was soll ich sagen: Es waren erstklassige zwei Nächte dort, und das Hotel ist auf der Liste meiner Lieblinge weit nach oben gerückt.

Frühstück mit Gondelblick. Im Hintergrund Santa Maria della Salute, die nach einer überstandenen Pestwelle gebaut wurde. Symbolbild!
Hier dichtet es sich wie von selbst.
Nein, viel ist nicht los auf dem Markusplatz.
Ich habe nachgezählt: Mehr Federvieh als Menschen.

Montag, 1.3.

Natürlich war Klein-Stefan auch gleich mal in der großen Stadt shoppen, und ich glaube, wir haben den Kulturkampf verloren: Ermenegildo Zegna, Fendi und Versace stellen Trainingsanzüge her, die dreist auch noch in den Schaufenstern hängen! Burberry hält tapfer dagegen, aber dafür kosten dort jetzt die Poloshirts 400 Euro.

Immer wieder verwunderlich: die neue Mode im Fondaco Dei Tedeschi

Schnell wieder raus aus Kaufhaus und Shoppinggassen – und zurück in die noble Einsamkeit des Hotels.

Und noch eine schnelle Zoom-Konferenz. Geht alles!
Und meine Tochter stellt die völlig legitime Frage: Wie kommt dieser Gondoliere zu seiner Gondel?

Mittwoch, 3.3.

Zurück in die Realität: Jetzt werden wir doch wieder orange – zumindest die Provinzen Udine und Gorizia (zu der Grado gehört). Ab dem 6. März müssen die Bars und Restaurants schließen und dürfen nur noch Leckereien zum Mitnehmen anbieten. Auch die Schule findet wieder auf dem Bildschirm statt. Vorerst sollen die Maßnahmen zwei Wochen gelten, aber alle machen sich Sorgen, dass Ostern zum zweiten Mal hintereinander ausfällt. Und meinen morgendlichen Cappuccino gibt es bis auf Weiteres im Pappbecher.

Dies ist jetzt nicht mehr der Blick auf den Canal Grande.

Donnerstag, 4.3.

Aber trotz allem: Italien ist in Feierlaune. Denn das Musikfestival von San Remo hat angefangen. (San Remo wird im Italienischen übrigens Sanremo geschrieben.) Das Festival ist wie Wetten dass…?, Tatort und Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft auf einmal – und das über fünf Tage.

Ich gebe zu, dass ich mich an italienischer Musik etwas sattgehört habe, aber es geht ja um das Spektakel drumherum. Und im Vorhinein gab es eine unglaubliche Geschichte: Denn Zlatan Ibrahimovic hat beim AC Mailand einen Vertrag unterschrieben, der ihm zwei Wochen in der Saison freistellt. Jeder Beobachter wunderte sich über dieses Zugeständnis – und fragte sich vor allem, wofür er diese Woche nutzen wolle. Jetzt weiß es Italien: Der 39-Jährige arbeitet an seiner zweiten Karriere und tritt mehrere Tage hintereinander in Sanremo auf, gestern als Conférencier, und heute Abend will er tatsächlich singen.

Und natürlich bekam Milan gestern Abend ohne Ibra gegen den FC Udine was auf die Mütze und schaffte den Ausgleich erst in der 97. Minute per Elfmeter. Nun ist Inter Mailand sechs Punkte vorn. Klar, dass die Milan-Fans empört sind. Stellt euch mal vor, Robert Lewandowski oder Erling Haaland würden mitten in der Saison eine Woche Urlaub nehmen, um beim Eurovision Song Contest anzutreten!

Freitag, 5.3.

Jaja, wir alle backen jetzt unser eigenes Brot und vernudeln unsere hausgemachten Nudeln. Aber langsam reicht es doch, oder? Eine gute Freundin berichtete mir, sie leide inzwischen unter »Koch-Burnout«. Immerhin bieten hier in Grado sehr viele Restaurants Gutes zum Mitnehmen an, und ich finde, man sollte alle Restaurants so gut wie möglich unterstützen. Aber wie ich das Schlemmen im Lokal vermisse!

Wann geht es endlich wieder los? Aktuelle Reiseentwicklungen habe ich hier für euch zusammengefasst. Möglich, dass wir bis Ostern warten müssen, dabei dachten wir alle noch letzte Woche, wir hätten das Schlimmste hinter uns.

Wenn ihr die Reise nach Italien nicht abwarten könnt: Hier geht es zu meinem neuen Buch, das am 13. April erscheint. Es ist, wie alle Vorableser bestätigt haben, eine perfekte Ersatzdroge.

Die nächste Mediterrane Wochenschau erscheint pünktlich am 12. März, bis dahin euch allen eine sonnige Woche!

Zur vorigen Wochenschau mit dem künftigen Ehepaar Vodka-Martini? Hier entlang.

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PS: Gerade komme ich vom kleinen Markt unter unserer Wohnung zurück. Ein älterer Herr fährt auf seinem Rad an mir vorbei. Es ist ein zerbeultes und viel zu kleines Damenrad, wie es in Italien bei älteren Herren üblich ist. Er grüßt mich euphorisch. »Du bist die erste Person, der ich heute begegne, da muss das so sein.« Klasse – und wieder was gelernt.

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