Hier kommt der einzige Newsletter, der so langsam das Laufen lieben lernt! (Und auf Alliterationen stehe ich ja ohnehin.)
Sonntag, 7. März
Irre Neuigkeit: Das italienische Kaffee-Ritual soll zum UNESCO-Weltkulturerbe werden! Die japanische Teezeremonie ist es ja bereits. Und was die kann, können wir schon lange! Der argentinische Tango, Dudelsackmusik und die neapolitanischen Pizzabäcker wurden ebenfalls von der UNESCO geadelt. Ob zu dem erhaltenswerten Kaffeeritual auch das allmorgendliche Gezerre um die Gazzetta dello Sport gehört?

Montag, 8. März
Sehr gute familieninterne Nachrichten: Meine italienischen Schwiegereltern, beide über 80, haben nun die zweite Impfung bekommen. Und wir hatten endlich eine Ausrede, zur Feier des Tages den Kaviar zu vernaschen, den wir in Triest erstanden hatten – unter sehr bizarren Umständen. Denn meine Frau und ich hatten in einer Seitenstraße ein kleines russisches Spezialitätengeschäft entdeckt.

Der Besitzer war anwesend, packte Ware aus und kümmerte sich nicht weiter um uns. Das war vielleicht seine Form von Kapitalismuskritik. Auch seine Mutter war da, saß in der Ecke und sah mit ihrem Kopftuch genau so aus, wie russische Mütter eben auszusehen haben. Es war, als würde jemand einen Film drehen und hätte die idealen Schauspieler gefunden. Beziehungsweise, jetzt, wo ich darüber nachdenke, habe ich gar nicht ihr Gesicht gesehen, es könnte auch die Frau, Schwester oder Tochter gewesen sein. Aber gekleidet war sie wie in einer Tolstoi-Verfilmung.
Jedenfalls entdecken wir in der Vitrine zwei Dosen Kaviar, der in Italien außerhalb der ganz großen Städte sehr schwer zu bekommen ist.
»Wir würden gern Kaviar kaufen«, sagen wir.
Der Besitzer sieht endlich auf und wackelt mit seinen Bartspitzen. Davon ermutigt, sprechen wir weiter:
»Wir hätten gern fünf Dosen.« (Klingt dekadenter, als es ist – wir wollten vier davon an die Familie verschenken, meine Frau kauft immer so ein.)
Der Russe zeigt auf die Vitrine. »Ich habe nur noch die zwei.«
»Okay, dann nehmen wir diese zwei.«
»Nein, das geht nicht.«
»Äh, nein?«
»Eine der Dosen habe ich einem Freund versprochen, der nachher kommt.«
»Also schön, dann eine Dose.«
Ein paar Tage später ist meine Frau wieder in Triest, dieses Mal mit meinem Schwiegervater. Wieder sind sie zufällig in der Gegend und betreten den Laden, wieder wirkt der Besitzer eher wenig motiviert. Mein Schwiegervater spricht zu meiner Frau in schönstem Paduaner Dialekt, und der Russe blickt plötzlich auf und strahlt übers ganze Gesicht: »Ihr seid aus Padua?«
Es stellt sich heraus: Der Russe hat vier Jahre Ingenieurwissenschaften in Padua studiert, und die Fakultät liegt auch noch gegenüber des Wohnhauses meiner Schwiegereltern. Seitdem sind mein Schwiegervater, meine Frau und der Russe beste Kumpels, und er ruft uns an, sobald er wieder Kaviar-Nachschub bekommt. Er scheint zu überschätzen, was man heutzutage als Schreiberling verdient, aber falls ich jemandem was besorgen will, meldet euch.
Mein Schwiegervater erzählte mir noch, dass russische Geschäfte wirklich genau so aussehen: viele Dosen und sonstige Konserven, die ohne größeres Ordnungsprinzip in den Regalen stehen. Denn er war 1969 als junger italienischer Kommunist auf Einladung der Partei mehrere Tage in Moskau. Als er zurückkehrte, war er vom Kommunismus ein für alle Mal geheilt.
Klar übrigens auch, dass solche Zufälle wenn nicht typisch Italienisch, so doch typisch für meine italienische Familie sind. Ich weiß noch, wie wir einmal mit dem Auto in einer endlosen Schlange vor einem der Parkhäuser von Venedig standen. Wahrscheinlich würden wir heute noch dort warten, doch wer ist der Parkanweiser? Ein ehemaliger Tenniskumpel meiner Frau, der uns sofort nach vorne gewinkt und in eine freie Ecke gequetscht hat.
Dienstag, 9. März
Es gibt auch schlechte Nachrichten: Nachdem wir in Grado die erste und zweite Virenwelle ausgesprochen gut und mit nur einer Handvoll Fällen überstanden haben, hat uns jetzt die dritte Welle sauber erwischt: 20 Positive auf 1000 Einwohner (oder, wie ich es mir immer runterrechne, einer von 50) – das ist jede Menge. Nahezu alle Betroffenen sind Café- und Restaurantbesitzer, was den Schluss nahelegt, dass Tagestouristen an den letzten sonnigen Wochenenden das Virus eingeschleppt haben. Genau so wahrscheinlich ist es aber, dass Kindergarten und Grundschule für die Verbreitung gesorgt haben, denn fast alle Betroffenen haben kleine Kinder.
Wer hat wen angesteckt? Wir werden es nie erfahren. Also desinfizieren wir fleißig die Hände, tragen Maske und leben nach der Philosophie unserer Luna: Mach das Beste draus.

Und eines ist ja auch klar: Besser jetzt in der Nebensaison noch ein letztes Mal die bittere Pille eines Lockdowns schlucken als im Mai oder Juni, wenn die Saison so richtig losgeht. Bis dahin sollte dann wirklich alles gut sein: Die Risikogruppen sind geimpft, auch gefährdete Berufe wie Lehrer und Polizisten haben die Spritze bekommen, und den Rest besorgen die Herdenimmunität, die Sonne und die gesunde Meerluft.
Donnerstag, 11. März
Hier kommt eine neue Rubrik – meine drei Fundstücke der Woche. Als erstes hat mein Kumpel Fabian ein Buch geschrieben, auf das wir alle gewartet haben: Wie werden die ersten Tage nach der Pandemie? Sehr lustig, sehr empfehlenswert, liebevoll illustriert. Für alle, die sich etwas Vorfreude gönnen wollen! Hier geht’s zur Bestellung. Und die Buchhandlungen sind ja auch wieder offen.

Zweitens: das herzerwärmende Interview mit Italiens Nationalspieler Vincenzo Grifo vom SC Freiburg, geführt von der Zeitschrift 11 Freunde.
Drittens: Wie schwimmt der Eisberg? Ein sehr lustiges Online-Spiel. Ihr zeichnet euren Eisberg ein (seid fantasievoll!), und das Programm berechnet, wie er schwimmen würde. Dreißig Sekunden Lebenszeit, gepflegt vergeudet.
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Aber statt Eisberg wollt ihr endlich Sonne, Strand und Weißwein, ich weiß – und ihr habt ja völlig recht. Wann geht es endlich wieder los? Aktuelle Reiseentwicklungen habe ich hier für euch zusammengefasst.
Die perfekte Ersatzdroge: Hier geht es zu meinem neuen Italien-Buch.

Die nächste Mediterrane Wochenschau erscheint am 19. März, bis dahin euch allen eine sonnige Woche!
Zur vorigen Wochenschau mit ganz vielen aktuellen, verträumten Venedig-Bildern? Hier entlang. Spoiler: Viele Touristen waren wirklich nicht zu sehen.
Zur Startseite mit vielen weiteren bunten Geschichten? Bitteschön.
PS: Gerade kommt die Meldung, dass die Frecce Tricolori, die italienische Kunstfliegerstaffel, am 28. Juli über dem Strand von Grado ihre Manöver zeigen wird. Ein sehenswertes Spektakel!
[…] kommen meine drei Fundstücke der Woche, denn diese neue Rubrik kam letzte Woche sehr gut an, also machen wir damit […]
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