Was macht das Krokodil in der Lagune? Und wie schön ist Portofino? Mediterrane Wochenschau LII

Hier kommt der einzige Newsletter, der sich gerade zum Frühstück Basilikumbutter aufs Toastbrot streicht – hallo Ligurien! Dazu weiter unten mehr.

Sonntag, 9. Mai

Da lebe ich zwanzig Jahre in Grado, gehe seit zehn Jahren regelmäßig spazieren – und entdecke erst diese Woche einen Wanderweg, den ich mir besser nicht hätte ausdenken können. Er führt weit abseits der Hauptstraße von Pineta aus entlang bis zu den Campingplätzen. Links sind Pinienwälder, rechts das Meer, und ich kann stundenlang in völliger Stille spazieren gehen. Also, ich könnte. Denn stundenlang ist ein bisschen übertrieben, aber eine stramme Stunde reiße ich gut ab. (Es ginge aber länger, der Weg führt weiter am Meer entlang.)

Und weil man hier komplett allein unterwegs ist, kann auch die Maske runter, denn noch gilt die Maskenpflicht im Freien, auch wenn wir täglich damit rechnen, dass diese Regelung aufgehoben wird.

Montag, 10. Mai

Hier kommt die irrste Geschichte, die ihr jemals aus Grado gehört habt. Versprochen! Also, vor ein paar Jahren bekommt der Bürgermeister einen ganz aufgeregten Anruf von einem Fischer. Der Fischer habe ein totes Krokodil in der Lagune gefunden.

»Hast du schon wieder getrunken?«
»Nein, wirklich!«

Der Bürgermeister nimmt also sein Boot, fährt an die angegebene Fundstelle und denkt immer noch an einen Scherz. Es kann ja nicht anders sein. Denn was würde das für den Tourismus bedeuten, wenn es wirklich Krokodile in der Lagune geben würde?

Doch dann sieht er das Skelett. Tatsächlich: ein Krokodil. Er ruft sofort bei einer Meeresbiologin der Universität Triest an. Die ist elektrisiert und will so schnell wie möglich kommen.

Der Bürgermeister fährt die Meeresbiologin zur Fundstelle.

Die Meeresbiologin schaut sich das Skelett kurz an, dann lächelt sie.

»Kein Krokodil. Ein Delfin.«

Und tatsächlich: Mit dem langen bezahnten Maul, dem länglichen Körper und entsprechend im Schilf drapiert, kann ein Delfinskelett schon ziemlich beunruhigend aussehen. Und dass Delfine sich rund um Grado sehr wohlfühlen, hatte ich ja vor zwei Wochen geschrieben.

Kein Krokodil.

Dienstag, 11. Mai

Kurzer beruflicher Ausflug nach Portofino – was man halt so macht. Dieser Ort an der ligurischen Küste, nicht weit von Genua, ist selbst für italienische Maßstäbe ein Traum, und direkt an der Piazza hat nach zwei Jahren Umbauzeit das Hotel Splendido Mare neu eröffnet. (Corona-Auszeit clever genutzt, kann ich da nur sagen.)

Wer da nicht vor Glück seufzt…
Selbst bei schlechtem Wetter ist es hier schön.

Kleiner Trost für uns alle: Die schönsten Orte sind oft die am wenigsten lebenswerten. Acht Kilometer vor der Abfahrt Rapallo steckte ein LKW auf der baustellenbedingt einspurigen Autobahn fest. Drei Stunden schaute ich dumm auf eine Tunnelwand, und weil ich just im Berg zu stehen gekommen war, hatte ich nicht mal Netz und konnte nicht telefonieren oder im Internet surfen.

Diese Verkehrsprobleme gibt es öfter, und beim Hochwasser 2019 ist ja sogar die einzige Zugangsstraße zu Portofino weggespült worden, so dass die Einwohner wochenlang per Boot versorgt werden mussten.

Endlich: Das Buch darf auf Reisen gehen.

Ob Portofino, Venedig oder die Amalfiküste: Jede Besorgung, jeder Arzttermin, jede Fahrt mit dem Kind zur Schule wird zu einer nervenaufreibenden Herausforderung auf engen, von Touristen verstopften Wegen und Vaporetti.

Daran sei nur erinnert, damit wir alle uns nicht allzu schlecht fühlen.

Andererseits: Das folgende Bild zeigt den Blick aus meinem Hotelzimmer des Splendido Mare. Und diesen Blick hat ja in Portofino, aus verschiedenen Winkeln und Höhen, beinahe jeder Einwohner.

Splendido Mare, Zimmer »Marea«.

Sollen die Bälger doch zusehen, wie sie in die Schule kommen!

Mittwoch, 12. Mai

Ich hatte ja letzte Woche geschrieben, dass ich mit dem »Italien-Prinzip« viel Glück habe: Es ist für viele Leserinnen und Leser genau das richtige Buch zur richtigen Zeit, und es steht bereits in der vierten Woche auf der Bestsellerliste. Hier mal eine ganz andere Liste, nämlich die »Amazon-Charts« der meistgehörten Bücher.

Der Barack, die Sahra und ich. Nicht im Bild: Frank Schätzing, den ich auf Rang 9 verdrängt habe.

So gleicht sich eben alles aus, denn mit dem Venedig-Krimi vom letzten Jahr hatte ich umgekehrt auch etwas Pech. »Wenn die Gondeln untergehen« kam genau zum Höhepunkt der Corona-Epidemie raus, die Themen Overtourism und Kreuzfahrtschiffe hatten sich für lange Zeit erledigt, und wegen der hohen Infektionszahlen in Italien war die Sehnsucht nach dem Süden auch arg gedämpft. Das Buch bekam gute Kritiken und hat sich auch nicht schlecht verkauft, aber nicht so gut, dass der Verlag daraus, wie von mir erhofft, eine Reihe aus dem Krimi machen wollte. Ich hätte mir vom Verlag da einen längeren Atem gewünscht – aber der Verlag gehört ja nicht mir, also musste ich das akzeptieren. 

Links: falsche Zeit, falscher Ort. Rechts: alles richtig gemacht.

Nachtrag: Gerade habe ich die Meldung von dtv bekommen, dass »Wenn die Gondeln untergehen« am 28. Juni für einen Tag als Kindle-E-Book für 3,49 Euro angeboten wird. Schlagt doch zu und überzeugt euch selbst, dass daraus doch noch eine Reihe werden muss. Ich werde direkt am 28. Juni noch mal alle erinnern.

Ich bin übrigens versucht, dem Verlag die aktuellen Verkaufszahlen des »Italien-Prinzips« zu schicken. Denn das Manuskript hatten sie auch abgelehnt. Oder wäre das kindisch?

Da fällt mir eine tolle Geschichte ein: Ein Kumpel von mir wurde mal bei einem großen Zeitungsverlag entlassen. Die Personalchefin empfing ihn in ihrem Büro und kaute beim Kündigungsgespräch ohne Hemmungen an einem großen Sandwich herum. »Es stört Sie doch nicht, wenn ich dabei esse?« fragte sie.

Mein Kumpel machte daraufhin bei anderen, bedeutenderen Verlagen eine ziemlich beeindruckende Karriere. Und jedes Mal, wenn er wieder irgendwo Chef wurde und eine weitere Sprosse auf der Erfolgsleiter nahm, mailte er seiner alten Personalchefin die Meldung aus dem Branchendienst und schrieb in die Betreffzeile: »Es stört Sie doch nicht, wenn ich dabei esse?«

Donnerstag, 13. Mai

Glaub an deinen Traum, liebe Ape! Für alle Nicht-Petrolheads: Der Transportroller hat sich mit einem Ferrari-Aufkleber hübsch gemacht.

10 PS.
620-830 PS.

Und: Der Handyschatten im Bild ist der neue Daumen.

Freitag, 14. Mai

Virtuelle Degustationsrunde – aber wenigstens die Weine sind echt. Das Weinpaket wird vorab per Post geschickt und steht tagelang verführerisch rum. Per Zoom werden Winzer und Sommelier zugeschaltet, und los geht’s.

Dieses Mal hatte Le Macchiole geladen, ein Weingut in Bolgheri nicht weit von der toskanischen Küste. Bolgheri sagt euch vielleicht was – dorther kommen auch Sassicaia und Ornellaia, zwei Weine, die regelmäßig zur Nummer eins und Nummer zwei in Italien gewählt werden (für mich ist übrigens Ornellaia vorn). Es ist also ein sehr guter Boden! (Oder sollte ich Terroir sagen?) Besonders gut bei Le Macchiole hat mir der Paleo Rosso gefallen, ein 100-prozentiger Cabernet Franc, eigentlich nicht meine Lieblingsrebe, aber der Paleo Rosso ist eine Bombe. Kann ich sehr empfehlen!

Aber ich weiß natürlich nicht, ob ihr jemandem trauen solltet, der auch bei einer Weinprobe seinen Schrittzähler am Handgelenk anbehält.

Habt alle ein wunderbares Wochenende und einen sonnigen Start in die Woche!

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