Hier kommt der einzige Newsletter, der konsequent bei der römischen Zahlschrift bleibt, obwohl die »50« heute für Neu-Leserinnen und Neu-Leser so aussieht wie ein aus Versehen dahingetippter Buchstabe.
An dieser Stelle: Willkommen, liebe Neu-Leserinnen und Neu-Leser! Wegen dieser wilden Buchveröffentlichung (unten mehr dazu) sind nämlich jede Menge von euch dazugekommen. Freut mich sehr!
Hey, Moment mal, die fünfzigste Wochenschau – sollten wir ein Jubiläum feiern? Okay, überredet, ich mache heute Abend einen besonders feinen Wein auf und denke fest an euch. Macht es doch auch so, schließlich ist Wochenende. Jetzt aber rein in die Woche.
Montag, 26. April
Es war ja klar, dass Corona uns noch einen weiteren Mittelfinger zeigt – aber hoffentlich ist es der letzte. Lockdown Nummer eins wurde 2020 vom schönsten Frühlingswetter seit 25 Jahren begleitet – und wir konnten drei Monate lang nicht raus. Lockdown Nummer zwei fiel in den schneereichsten Winter der letzten 20 Jahre – und niemand durfte die traumhaften weißen Landschaften genießen. Und Lockdown Nummer drei endet in Italien heute – pünktlich zu einer Kaltfront mit zwölf Grad und Regen, die dieses Mal deswegen besonders schmerzt, weil Bars und Restaurants ja nur draußen bedienen dürfen. Bis gestern war dagegen noch Traumwetter. Ich habe mich natürlich dennoch draußen hingesetzt und mir die Hände am Cappuccino gewärmt. Was gar nicht so einfach ist, denn der Cappuccino hier hat ja keine Starbucks-Dimension, sondern ist nicht größer als eine englische Porzellantasse Tee. Immerhin, die Fingerkuppen blieben warm.
Dienstag, 27. April
Delfine vor Venedig? Pah, kann ja jeder. Delfine vor Grado – das ist die eigentliche Sensation in dieser Woche.

Irre, oder? Paolo Luz Omenetto ist ein Fischer aus Grado, der bei seinen Ausfahrten stets seine Fotokamera dabei hat.
Mittwoch, 28. April
Ich hatte euch ja letzte Woche von dem geköpften Dogen erzählt. Kurz danach ist mir wieder ein Text in die Hände gefallen, den ich vor einigen Jahren für P.M. Fragen & Antworten geschrieben hatte. Die Frage lautete: Welches war die stabilste Regierungsform der Geschichte?
Hier kommt mein Text dazu, denn hier soll ja auch jeder etwas lernen:
Die Dogenrepublik Venedig bestand ziemlich genau tausend Jahre und gilt als stabilste Regierung aller Zeiten, trotz vieler Kriege, Hungersnöten und Staatspleiten. Tausend Jahre – das müssen unsere modernen Regierungsformen erst mal schaffen. Die Serenissima funktionierte dank einer raffinierten Mischung aus Demokratie, Monarchie und Diktatur. Der Doge, gewählt von den alteingesessenen Familien der Stadt, war der oberste Repräsentant. Er wurde aber streng kontrolliert, man öffnete seine Briefe, und er durfte die Stadt nicht verlassen. Dennoch hatte sein Wort ein gewisses Gewicht. Das Parlament oder Consiglio maggiore (»Großer Rat«) bestand aus Mitgliedern der Kaufmannsfamilien und hatte viele Rechte, und doch gab es noch die gefürchtete Gerichtsbarkeit, die aus drei Inquisitoren bestand und eigenmächtig Urteile fallen durfte – aber die Inquisitoren durften nur ein Jahr lang im Amt sein, taten also gut daran, klug und umsichtig zu agieren. Dann gab es noch die einflussreichen Prokuratoren, die sich um die Staatsfinanzen kümmerten, und die vielen Spione, die Republikfeinde im Zweifelsfall in einem der Kanäle dauerhaft entsorgten. Auch den Dogen wählte man stets im hohen Alter, um ihn im Zweifel schnell wieder los zu werden. Der Doge Marino Faliero, der eine erbliche Herrschaft errichten wollte, wie sie in anderen italienischen Stadtstaaten üblich war, hatte kein Glück mit seinem Vorhaben – man köpfte ihn vor seinem Palazzo.
Abgesehen von der Machtbalance nennt der Historiker Peter Ackroyd ein anderes Erfolgsgeheimnis: Niemand konnte einen Hofstaat unterhalten oder sich mit repräsentativen Kutschen fortbewegen. Ob Schatzkanzler oder Wirt, Doge oder Tuchhändler, stets ging es durch enge Gassen oder per Gondel über die Kanäle. Näher waren sich Herrscher und Untertanen nirgends. Das sorgte von ganz allein für ausgeglichene, kooperative Verhältnisse.
Wer sich näher für die Geschichte Venedigs interessiert: Peter Ackroyds »Venedig: Die Biographie« ist großartig, ebenso David Abulafias »Das Mittelmeer: Eine Biographie«, ein Buch, das Venedigs Aufstieg und Fall in größere Zusammenhänge stellt.
Donnerstag, 29. April
Wie übel es den Kulturbetrieb in diesen Monaten erwischt hat, seht ihr sinnbildlich an dieser Plakatwand in Grado, an der normalerweise Konzerte, Events und Ausstellungen angekündigt werden.

Aber nach 15 Monaten ohne neue Ankündigungen ist aus der Plakatwand selbst so eine Art Corona-Mahnmal geworden. Vielleicht sollte ich sie abschrauben und als Kunst verkaufen, was meint ihr?
Und noch ein Fundstück: Italiener können alles. Außer Schrittgeschwindigkeit.

Das seht ihr ja schon an der vor Schreck davoneilenden Figur.
Und heute ist die neue Bild-Bestsellerliste rausgekommen. Es ist der Wahnsinn, ich danke euch allen sehr.

In ersten Woche nach Erscheinen gleich auf 7, in der zweiten Woche hoch auf die 3 – kaum zu glauben.
Werdet Teil der mediterranen Bewegung: Hier geht’s zum Buch.
Freitag, 30. April
Die Sonne ist zurück, überall wird geschraubt und gehämmert – Grado macht sich bereit für den Sommer, und es ist jede Menge Aufbruchstimmung zu spüren (und zu hören). Dieser Baywatch-Turm wird auch bald stolz am Ufer stehen, bestückt mit einem braungebrannten Bagnino oder einer nicht minder braungebrannten Bagnina.

Es gibt übrigens ein paar interessante Neueröffnungen in Grado. Hier habe ich die aktuellen Tipps für 2021 zusammengefasst. Grado freut sich auf euch – und der Rest Italiens natürlich auch.
Und noch als Letztes – Twitter-Userin @PoLILYtik schreibt:
Die Italiener impfen u.a. im Nationalmuseum Neapel. Man habe sich für diesen Ort entschieden, weil es da »so schön« sei.
Die können das einfach mit dem Dolce Vita.
Ein wunderbares Schlusswort. Ich wünsche euch allen ein sonniges, entspanntes Wochenende!
—
Zur vorigen Wochenschau geht es hier entlang.
Zurück zur Startseite? Bitteschön!
Alles über »Das Italien-Prinzip: So geht Glück!« steht hier.
Die nächste Mediterrane Wochenschau erscheint wie immer am kommenden Freitag.
Wer diesen Newsletter als E-Mail bekommen hat, kann ihn gern an italophile Freunde weiterleiten.
[…] Wöchentliche Lach und Sachgeschichten aus Italien gibt es in meiner Mediterranen Wochenschau. Ihr könnt sie ganz einfach abonnieren (auf der Startseite rechts oben für den Newsletter […]
LikeLike
[…] Zur vorigen Wochenschau geht es hier entlang. […]
LikeLike
[…] beunruhigend aussehen. Und dass Delfine sich rund um Grado sehr wohlfühlen, hatte ich ja vor zwei Wochen […]
LikeLike