Der Giro d’Italia, der Abschied vom Catenaccio und die Wanderlust: Mediterrane Wochenschau LIV

Hier kommt der einzige Newsletter, der Bücher mit Notizen vollkritzelt, schöne Sätze dick unterstreicht und überall Post-its hineinklebt – aber Eselsohren für eine Todsünde hält. Seltsam, ich weiß.

Pfingstsonntag, 23. Mai

Heute startet der Giro d’Italia seine 15. Etappe in Grado, und der ganze Ort ist festlich rosa geschmückt. Es geht in diversen Schleifen über 147 Kilometer nach Gorizia. Insgesamt ist der Giro 3480 Kilometer lang, und es müssen 47.000 Höhenmeter überwunden werden. Warum tun sich Menschen das an?

Alle beten, dass das Wetter hält.

Sogar die bizarre neue Skulptur am Ortseingang hat sich herausgeputzt.

Nein, wir hier wissen auch nicht, was uns der Künstler damit sagen will.

Und wie jedes Jahr gibt mir der Giro die Gelegenheit, auf meinen Artikel zu verweisen, der erklärt, warum dieser schweißtreibende Radsport ausgerechnet im lässigen Dolce-Vita-Land ein so hohes Ansehen genießt und warum viele Italiener auf die bella figura pfeifen, sich in grauenhafte Neontrikots zwängen und stundenlang bucklig durch die Gegend treten. Im »Italien-Prinzip« habe ich dieses vermeintliche Paradox ja ebenfalls ausführlich erläutert.

Ein Gruß an die Radprofis, die hier mit etwa 50 km/h vorbeirauschen werden.
Der Bestatter links unten wirbt mit »100 % Made in Italy«. Wer oder was? Der Service? Die Särge? Die Sargträger?

Pfingstmontag, 24. Mai

Du liebe Zeit: In Grado hat das Wetter gestern gerade so gehalten, aber heute regnet es heftig und beharrlich. Und die armen Radprofis sind in den Bergen auf der Königsetappe und müssen sich mit Schneefall auseinandersetzen! Wahnsinn. Was mich an einen Kumpel erinnert, der einen Bergsteiger interviewt hat. »Warum steigen Sie auf die Berge?«, fragte er. »Weil sie da sind«, antwortete der Bergsteiger. Ja, schön – aber das sind die Fernbedienung und das Glas Rotwein doch auch!

Apropos Sport: In nicht einmal drei Wochen beginnt die Fußball-Europameisterschaft! Corona hat ja dem Fußball sehr geschadet, niemand ist wirklich aufgeregt, und bei mir persönlich kommt auch noch dazu, dass mein Lieblingsteam Eintracht Braunschweig gestern unfassbarerweise von der zweiten in die dritte Liga abgestiegen ist.

Aber vor ein paar Wochen hat die sehr gute Fußballzeitschrift 11 Freunde bei mir angerufen und mich als Italien-Experten interviewt (kannste mal sehen!). Denn die Squadra Azzurra stürmt unter ihrem Trainer Roberto Mancini von Rekord zu Rekord, ist seit 26 Spielen ungeschlagen, hat sich mit zehn Siegen aus zehn Spielen souverän für die EM qualifiziert, schießt unfassbar viele Tore (von wegen Catenaccio!) und hat obendrauf noch Losglück mit einer vermeintlichen einfachen Gruppe bekommen. Die Stimmung im Team ist gut, und man darf das Team, so die Meinung des 11-Freunde-Redakteurs und mir, durchaus als einen der Favoriten einschätzen. (Hier noch mal der Link zu dem tollen Interview mit Freiburgs Vincenzo Grifo, der inzwischen Stammspieler im Nationalteam ist.)

Dienstag, 25. Mai

Ein Lottospieler aus Montappone in den Marken hat sich letzte Woche ein 2-Euro-Los gekauft und nun den Jackpot geknackt, der sich seit Juli 2020 angesammelt hat – er darf sich über 156 Millionen Euro freuen. Solche irren Jackpots häufen sich in Italien öfter mal an, denn das italienische Lotto ist ungleich schwieriger als die deutsche Variante: Hier müssen 6 Zahlen aus 90 getippt werden und nicht 6 aus 49, was die ohnehin geringen Chancen auf den Hauptgewinn noch einmal schwindelerregend geringer macht.

Hier in Italien spielt so gut wie jeder Lotto oder kauft sich Rubbellose. Dieses Freirubbeln der Felder mit einer Münze hat einen ganz besonderen Charme. Mein Lieblingsspiel ist »turista per sempre« (Tourist für immer): Der Hauptgewinn besteht aus 300.000 Euro sofort, 6000 Euro jeden Monat für die nächsten 20 Jahre und zum Abschluss noch einmal 100.000 Euro. Was ich daran mag: Man ist mit dem Gewinn nicht überfordert und kann sich sein Leben gemütlich einrichten, ohne Unsinn anzustellen. Wer auf einen Schlag 156 Millionen Euro auf dem Konto hat, kann doch vor Stress nicht mehr schlafen!

In der vorletzten Reihe taucht »turista per sempre« auf. Es müsste allerdings zwei Mal freigerubbelt werden,
um dem Rubbler ein unbeschwertes Leben zu ermöglichen.

Es ist für die abergläubischen Italiener von entscheidender Bedeutung, in welcher Tabaccheria man seine Lose kauft. Manche Verkaufsstellen gelten als glücksfördernd, andere werden unter allen Umständen gemieden. Deswegen hängen auch immer stolz die Gewinnerlose, die an diesem oder jenem Kiosk erzielt wurden, als Kopien in den Schaufenstern.

Und es gibt auch Ratgeberbücher, die Träume in Lottozahlen umdeuten. Wer von einem Elefanten träumt, muss auf die 17 setzen, wer von einem freien Fall träumt, ist mit der 8 gut beraten. Warum? Ein Mysterium.

Mittwoch, 26. Mai

Eine kleine Reise in die Vergangenheit: Mein bis dato bestverkauftes Buch war ja »Laura, Leo, Luca und ich – wie man in einer italienischen Familie überlebt«. Im Sog des Erfolges des »Italien-Prinzips« geht das Buch plötzlich auch wieder ab, leider ist das 2004 erschienene Buch nur noch als E-Book erhältlich.

2004! Eine echte Reise in die Vergangenheit.

Wer wegen des »Italien-Prinzips« auf den Geschmack gekommen ist, kann es hier beziehen.

Donnerstag, 27. Mai

Ich habe zum »Italien-Prinzip« wirklich viele nette Kritiken erhalten, von Profis und Nicht-Profis. Aber meine liebste Kritik stammt von dem Journalisten Tim Schweiker, der über das Buch folgendes schrieb:

»Wir müssen vor diesem Buch ausdrücklich warnen: Es kommt auf den ersten Blick als Ratgeber daher, der erzählt, wie man mit ein paar Tricks sein Leben verbessern kann, in dem man es italienischer gestaltet. Die Wahrheit ist: Exakt so ist es. Maiwald zeigt auch mit ebenso klugen wie unterhaltsamen Ausflügen in die italienische Kulturgeschichte, warum Italien und die Italiener eben etwas anders sind als der Rest von Europa. Das Italien-Prinzip ist damit die perfekte Lektüre zur Urlaubsvorbereitung und zur Verhinderung der postferialen Depression. Ein Buch, das tatsächlich ein bisschen ist wie Italien: warmherzig, voller Überraschungen und fast immer gut gelaunt.«

Und Tim ist ein echter Italien-Experte, der im letzten Jahr den Journalistenpreis des Italienischen Fremdenverkehrsamts gewonnen hat. Er weiß also, wovon er spricht. Wird Zeit, dass ich ihm in der hoffentlich bald anbrechenden Post-Covid-Ära einen Aperitivo ausgebe.

Und wenn ihr das Buch in Grado kaufen wollt? Das sind bislang die Verkaufsstellen:

  • Libreria Dante – die Buchhandlung auf der Flaniermeile gegenüber der Bar Cristallo. Dort habe ich die Bücher sogar signiert!
  • Hotel Savoy, Riva Slataper 2
  • Laura e Christian – Spaghetti House, Via Gradenigo 27
  • Ferdi Thomann, der Zeitschriften- und Buchladen in der Piazza Duca D’Aosta (neben dem A&O-Supermarkt)

Freitag, 28. Mai

Gerade schreibe ich ein englisches Exposé, um das »Italien-Prinzip« dem US-Markt schmackhaft zu machen und die Welt zu erobern. Mein Englisch ist recht gut, wenn auch mit texanischem Akzent. Aber was, verflixt noch mal, heißt »Fernweh« auf Englisch? Also frage ich Google, und siehe da:

Damit wäre mal wieder bewiesen: Die deutsche Sprache ist nicht nur Achtung, Blitzkrieg und Panzerdivision, sondern hat auch immer etwas Romantisch-Schwärmerisches, bei dem sich andere Sprachen gern bedienen.

Ich wünsche euch allen ein schönes Wochenende – bis bald in Italien!

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Die vorige Wochenschau samt aktueller Playboy-Ausgabe lest ihr hier.

Alles über mein neues Buch steht hier.

Aktuelle Grado-Tipps? Bitteschön! Übrigens: Nächste Woche stelle ich hier ein neues Bed & Breakfast vor – die einzige Neueröffnung 2021 in Grado.

Und was immer ihr zu eurer Reisevorbereitung braucht (Grenzen, Testzentren etc.), findet ihr hier.

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