Der verschwundene Hahn, die funkelnde Kirche, das Ohr des Elefanten: Mediterrane Wochenschau CVIII

Hier kommt der einzige Newsletter, der kurz davor stand, sein erstes Kreuzworträtsel auf Italienisch komplett zu lösen! Doch ausgerechnet die längste Frage, deren Auflösung sich quer über die Seite zog, konnte ich nicht beantworten, dabei war es ein kulinarisches Thema, und ich bilde mir auf mein gastronomisches Wissen viel ein. Die Frage lautete: »So heißt ein besonders großes Schnitzel.« Ich kam einfach nicht drauf. Und was tat ich? Ich gab die Frage schamvoll übers Handy im Internet ein. Die Antwort: »Orecchia di Elefante«, Elefantenohr. Eine sehr plastische, passende Beschreibung und eine hübsche Ergänzung für unseren Wortschatz!

Apropos Rätsel: Hier kommt die Auflösung von letzter Woche, bevor ich es vergesse. Das seltsame Gebilde, das wir im Santa Lucia verspeist haben, war ein Seebarsch in der Brotkruste.

Aktuelle Viren-News stehen wie immer hier.

Montag, 27. Juni

Grado gibt sich mächtig Mühe, 130 Jahre Tourismus zu feiern, und recht hat der Ort! An den letzten Abenden wurden Projektionen an die Mauern der Basilika geworfen, die für viel Aufsehen sorgten. 

Außerdem gab es einen Umzug in historischen Kostümen. Das fällt mir immer wieder in Italien auf: Es gibt unzählige Vereine, die sich in allerlei historischen Kostümen zeigen, von der Römerzeit übers Mittelalter bis zu den napoleonischen Kriegen. Fast jeder Ort hat diese rievocazioni storiche – Wochenenden, die ganz im Zeichen einer bestimmten historischen Epoche stehen, ähnlich den bei uns beliebten mittelalterlichen Märkten. Die Lust am Verkleiden und am spektakulären Auftritt ist vermutlich etwas Landestypisches. Hier geht’s übrigens zu einem Kalender, der alle historischen Festivals italienweit erfasst – vielleicht ist ja auch euer nächstes Urlaubsziel dabei.

Dienstag, 28. Juni

Das Buch schlägt Wellen! Nun erschien ein längeres Interview im »Quotidiano Nazionale«.

Das Interview versteht ihr auch als Nicht-Italiener gut: hier entlang. (Ich habe mit dem Redakteur gewettet, dass der Artikel die meisten Klicks der Woche bekommt. Schaut also mal vorbei – es dient einem guten Zweck!)

Und der staatliche Rundfunk RAI hat mich interviewt. Leute, war ich nervös! Denn es ist ja nicht nur das Interview an sich, es ist dann auch noch in einer anderen Sprache, die ich nur im Straßenslang beherrsche. Wer mich also mal auf Italienisch hören will, kommt hier zur Sendung – ab Minute 20.

Und ich hatte ja schon berichtet, dass ihr die »Lezioni Italiane« nun auch auf der deutschsprachigen Amazon-Seite bestellen könnt. Hier entlang.

Mittwoch, 29. Juni

Über was redet Italien? Über die Hitzewelle, die Ukraine, die Inflation? Nein, über Garibaldi. Der zehn Kilo schwere Hahn sorgt nämlich für Aufregung, nicht nur im kleinen Ort Copparo in der Emilia-Romagna.

Das Prachtexemplar ist vor anderthalb Jahren von einem Geflügelmarkt ausgebüxt und hatte es sich im Garten eines älteren Ehepaars gemütlich gemacht, das den neuen Gast gern aufnahm und fütterte. Bloß hat der Krach die Nachbarn in den Wahnsinn getrieben, denn Garibaldi krähte die ganze Nacht durch. Es gab Petitionen und Gegen-Petitionen, der Bürgermeister versuchte zu vermitteln, Tierschützer schalteten sich ein, das Idyll war dahin. Sogar die Medien aus Rom und Mailand berichteten.

Nun ist Garibaldi verschwunden, und die ganze Region – ja, ganz Italien – sucht nach ihm. Hat ihn wieder der Freiheitsdrang überkommen wie damals auf dem Geflügelmarkt? Oder hat ein genervter Nachbar kurzen Prozess gemacht?

»Der ist längst im Ofen«, glaubt meine Frau. Ich bleibe für euch dran!

Donnerstag, 30. Juni

Alle bereiten sich auf das wichtigste Wochenende im Gradeser Kalender vor: Am Sonntag beginnt die Bootsprozession nach Barbana, und am Abend davor wird schon ordentlich gefeiert, sowohl kirchlich als auch mit viel Wein in den Bars. Sabo Grando heißt der Samstag im Inseldialekt, und die sonntägliche Prozession findet schon zum 785. Mal statt, ununterbrochen seit dem Jahr 1237. Das nenne ich mal Tradition! Auch in Kriegszeiten gab es das Perdòn di Barbana, wie Inselchronist Antonio Boemo berichtet, wenn auch in reduzierter Form.

Der Zeitplan des Sonntags, falls ihr vor Ort seid: 8 Uhr Gottesdienst in Grado, danach Prozession von der Kirche zum Hafen, 9 Uhr Abfahrt der geschmückten Schiffe, an Bord sämtliche Honoratioren in makellosen Anzügen und funkelnden Uniformen. 10 Uhr Messe in Barbana mit dem Erzbischof von Gorizia. 12.30 Uhr Rückkehr in den Hafen und Prozession zurück zur Kirche, 13 Uhr ein letztes Te Deum. Dann sind die Formalitäten vorbei, die informellen Feste in den Bars beginnen erneut und dauern bis spät in den Abend.

Freitag, 1. Juli

Beim Spaziergang durch die geschmückten Gassen von Grado ist mir erstmals diese Tür aufgefallen. Nun scheint es dafür zwei Erklärungen zu geben: Entweder bin ich 2,20 Meter groß, oder die Menschen damals waren sehr klein.

Beides falsch, denn so klein waren die Menschen damals nun auch nicht. Nein, die Türen (und natürlich auch die Fenster) wurden so klein wie möglich gebaut, um im Sommer die Hitze draußen zu halten und im Winter die Wärme nicht entweichen zu lassen. Dafür nahmen die Bewohner auch mal die eine oder andere Beule an der Stirn in Kauf.

Jede Wette: An diesem weinreichen Wochenende wird es viele, viele Beulen geben.

Aperitivo mit dem Autor

Unser nächstes Treffen beim Kaffee oder beim Spritz, zum Signieren oder einfach nur zum Plaudern: Donnerstag, 7. Juli, 10.30 bis 11 Uhr, wieder am Strandkiosk Al Faro am Beginn des alten Strandes. Ich freue mich!

Halt, Stopp! Das ist gerade reingekommen: eine ausführliche Besprechung meines Buches in der größten italienischen Literaturzeitschrift »Pulp«. Müsst ihr lesen! Bonus: ein Foto von mir, von dem ich selbst nicht mehr wusste, dass es existiert.

Ich wünsche euch allen ein wunderbares Wochenende – bis nächsten Freitag. (Oder eben bis Donnerstag, live und in Farbe.)

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