Nutella, Barolo, Trüffel: Es ist beinahe unfair, wie viele kulinarische Schätze das Piemont zu bieten hat. Und wie an einem üppigen Büffet fällt es schwer, einen Anfang zu finden. Beginnen wir in der Hauptstadt: Turin gilt als »nördliche Industriemetropole«. Das ist kein schöner Dreiklang, und wer so manchen Reisebericht liest, könnte meinen, der Verfasser sei aus Versehen in Manchester gelandet. Gourmets haben Turin jedoch viel zu verdanken, wurde in der Gelateria Pepino doch das Eis am Stiel erfunden. Auch der inzwischen weltweit operierende Spezialitätensupermarkt Eataly öffnete zuerst hier.
Der Nougat stammt ebenfalls aus Turin. Denn Napoleons Kontinentalsperre für Waren aus England und seinen Kolonien machte Anfang des 19. Jahrhunderts Kakao knapp, also streckte man die Schokolade mit gerösteten und anschließend gemahlenen Haselnüssen. Aus dieser Notlösung wurde bald eine bekannte Spezialität, die heute nicht mehr aus der Süßwarenwelt wegzudenken ist. Nougat sollte immer aus piemontesischen Haselnüssen zubereitet werden, denn die heimische Sorte tonda gentile ist milder im Geschmack und verleiht der Schokolade eine unvergleichliche Cremigkeit. König der Haselnüsse ist José Noé, der einst bei Ferrero für Nutella zuständig war, sich nun aber mit ein paar Hektar Haselnussbäumen selbstständig gemacht hat und kleine, erlesene Mengen auch nach Deutschland liefert (www.papadeiboschi.com).
Im Piemont können die Temperaturen im Frühjahr und im Herbst gewaltig schwanken; 20 Grad am Tag und Frost in der Nacht sind keine Seltenheit. Genau dieses Klima gibt der großartigen Nebbiolo-Traube ihren erdigen Geschmack. Dazu kommen die autochthonen Trauben Gattinara, Erbaluce und Ghemme, aus denen ebenfalls feine Weine entstehen.
Eine Spezialität, die man im Piemont nicht unbedingt vermutet hätte, ist der Reis, der vor allem rund um Vercelli angebaut wird. Das hat im Nordwesten zu einer ausgeprägten Risotto-Kultur und zu einem Pro-Kopf-Verbrauch von zehn Kilo im Jahr geführt (Deutschland liegt bei fünf Kilo). Italien ist vor allem dank des Piemonts mit 1,5 Millionen Tonnen der größte Reisproduzent Europas. Auf der »Strada del Riso« können Sie die Produzenten besuchen und den Kofferraum auffüllen. Falls neben den Weinkartons noch Platz ist.
Doch der allergrößte Schatz des Piemonts sind die weißen Trüffel. Vor rund 5000 Jahren aß man sie schon in Babylon, und Pharao Cheops bevorzugte sie in Gänseschmalz geschwenkt. Im 4. Jahrhundert vor Christus fand in Athen ein Kochwettbewerb statt, dessen Siegerrezept als »Trüffelpastete nach Art des Chilomenes« überliefert ist: Aus kleingeschnittenen Trüffeln, zerkleinerter Fasanenbrust, Salz und Gewürzen hatten die Gewinner eine Pastete bereitet, die anschließend im Ofen gebacken wurde. Römische Ärzte verschrieben die »Frucht der Venus« gegen Impotenz.
Dass etwas so Abstoßendes so gut schmeckt, macht die Menschen nervös. In der Antike vermutete man, Trüffel entstünden durch Blitzschlag oder durch die Verbindung von Donner und Regen, und noch 1827 durfte ein renommierter Botaniker ungestraft behaupten, ein Trüffel sei ein Zwitter zwischen Pflanze und Tier. In Spanien glauben immer noch viele Leute, Trüffel stammen vom Teufel ab, weil der Boden, unter dem sie wachsen, oft wie verbrannt aussieht. In Frankreich und Italien schreibt der Aberglaube ihnen dämonische Kräfte zu, und wer nachts Trüffelgebiete durchqueren muss, bekreuzigt sich artig.
Piemonts Trüffelmetropole heißt Alba. Jeden Herbst findet dort der Trüffelmarkt statt (www.fieradeltartufo.org); wer sich erst einmal durch die üblichen Nepp-Stände gedrängt hat, kommt zu einem großen Zelt, etwa fünfzig mal fünfzig Meter, in dem sich Sammler, Händler, Köche und Freizeitkäufer treffen. Der Geruch ist atemberaubend; Hunde, die in der Nähe des Zeltes Gassi geführt werden, winseln bestenfalls, schlimmstenfalls drehen sie komplett durch.
Die Trüffel sind ganz schön hässlich, deshalb schämen sie sich und verstecken sich einen halben Meter tief im Erdboden. Ein unbedarfter Ausbuddler würde eher das Exkrement eines Wirbeltiers denn einen kulinarischen Schatz vermuten. Ausschließlich von weißen Trüffeln ist hier die Rede, die eine beige-braune Farbe haben; schwarze Trüffel sind die armen Verwandten, die in Geschmack und Qualität nicht an Tuber Magnatum Pico heranreichen.
Verschwiegenheit ist das Erfolgsgeheimnis der besten Sucher. Nur so viel: Die meisten Trüffelhunde sind weiblich, denn sie suchen zielgerichteter und lassen sich nicht durch männliche Reviermarkierungen ablenken. Trockenheit ist gut, Regen ist schlecht. In der Feuchtigkeit dampft die Erde, allzu viele Gerüche steigen auf, verführerisch und betörend. Die Fundorte: feuchte Stellen; hügeliges, überwuchertes Gebiet; ein paar Meter von einem Flusslauf. Der tartufaio weiß, wann der Hund was riecht. Wenn die Hündin nur mit einer Pfote gräbt, ist es ein ausdrucksloser Trüffel. Wenn sie mit beiden Pfoten das Erdreich umwühlt, dann ist die Hündin high und der Fund vielversprechend.
Und die Schweine? rufen Trüffelkundige, wo bleiben die Schweine, die berühmten? Mit ihnen gibt es zu viele Scherereien. Zum einen sind die meisten Trüffelsucher lieber unauffällig unterwegs, und dafür ist eine feiste Sau einfach die falsche Begleitung. Zum anderen sind Schweine zu intelligent für den Job; während sich der Hund nach erfolgreicher Ausgrabung mit einem Frolic zufrieden gibt, frisst das Schwein den kostbaren Fund einfach auf – und die Radikallösung in Form eines Maulkorbs demotiviert das Schwein, das arme.
Tipps für Trüffelenthusiasten
Hotel: Locanda Del Pilone
Romantisches Relais mit acht Zimmern auf den Hügeln über Alba mitten in den Weinbergen, die zur Familie des Hotelbesitzers gehören. Geschmackvoll und individuell eingerichtete Zimmer, preisgekröntes Restaurant. www.locandadelpilone.com
Restaurant: La Piola
Stimmungsvolles Restaurant am Domplatz von Alba. Es gehört zu dem ein Stockwerk darüber liegenden Drei-Sterne-Restaurant Piazza Duomo von Enrico Crippa, und man munkelt, dass es erst dieses ständig volle Lokal im Erdgeschoss ist, das Crippas verschwenderische Zauberküche im ersten Stock ermöglicht. Es gibt gemischte piemontesische Vorspeisen, agnolotti und Trüffel auf Spiegelei. www.lapiola-alba.it
Einkaufen: Tartuflanghe
Ein paar Kilometer außerhalb von Alba wartet ein kleines Paradies: Paolo Montanaro ist nicht nur einer der wichtigsten Trüffelhändler der Region, sondern bietet auch allerlei hochwertige Spezialitäten, Weine und hausgemachte Süßigkeiten an, darunter die piemontesischen Pralinen tartufi dolci. www.tartuflanghe.com
Wer ernsthaften Hunger bekommen hat und dieses vorfreudige Gefühl weiter kultivieren will: Hier geht es zur perfekten Pasta, hier zum idealen Espresso, hier zum größten Schlemmermaul und hier zum gefräßigsten Papst aller Zeiten.