Wie ihr im Lotto gewinnt

Warum hat Italien die WM-Qualifikation vergeigt? Für meine italienische Familie ist der Fall klar: Ich bin schuld. Denn ich hatte vorher groß rumgetönt, dass Italien Schweden einstampfen wird. 0:4 war zum Beispiel mein Tipp fürs Hinspiel in Stockholm gewesen – allerdings vor allem, um mein kleines privates Wettbüro am Laufen zu halten und all meine Freunde, die fünf Euro einzahlen müssen, zu abstrusen Wetten zu zwingen.

In jedem Fall ist Optimismus eine Todsünde. »Gufare« nennt sich das, und die Comedyshow »Striscia la notizia« zeigt jeden Montag die schönsten Beispiele von Vorhersagen, die großartig danebengehen. Beispiel Fußballübertragung, Minute 15: »Milans Abwehr gefällt mir heute sehr gut, besonders Bonucci spielt mit viel Übersicht.« – Schnitt zu Minute 18: »Oh, was passiert hier? Bonucci wird getunnelt, Tooooor!«

Daher darf man auch nie »viel Glück« wünschen, denn das bringt Unglück – man sagt stattdessen »in bocca al lupo« (»im Wolfsmaul«).

In Italien ist der Aberglaube integraler Bestandteil des Alltags. Umgekehrt bedeutet das: Wer sich stets richtig verhält und alles vermeidet, was Unglück bringt, wird reich beschenkt werden. Davon leben die Lottoannahmestellen und die Verkäufer der Rubbellose, die in Italien allerdings auch wirklich verführerische Dinge offerieren. Eines der beliebtesten Gewinnspiele ist »Tourist für immer«, wo es 300.000 Euro sofort gibt und 6000 Euro im Monat bis ans Lebensende. Und das bei zwei Euro Einsatz. (Lechz.)

Hier kommen zwölf Tipps, um Unglück zu verhindern und das Glück auf seine Seite zu ziehen.

  1. Die italienische Unglückszahl ist die 17, nicht die 13. Die meisten italienischen Hotels haben keine Zimmernummer 17, in Hochhäusern gibt es keine 17. Etage, bei der Fluggesellschaft Alitalia keine 17. Sitzreihe. Der französische Autohersteller Renault benannte sein Modell »R17« für den italienischen Markt in »R177« um. Der schlechte Ruf dieser Zahl liegt mehr als 2000 Jahre zurück, denn schon die Römer fürchteten die 17. Das hatte mit ihrer Schreibweise »XVII« zu tun. Bei einer Umstellung ergibt sich »VIXI«, »ich habe gelebt« – also »ich bin tot«. Doch nicht nur dieses Anagramm ist für den schlechten Ruf der 17 verantwortlich: Es war ausgerechnet die 17. Legion, die im Teutoburger Wald vernichtend geschlagen wurde. Statt Freitag dem 13. ist in Italien der Unglückstag Freitag der 17. oder auch Dienstag der 17. »Né di venere né di marte non si sposa né si parte«, heißt es: Eine Reise darf weder auf einem Freitag noch auf einem Dienstag beginnen oder enden, und auch geheiratet soll an beiden Tagen nicht. Manche Hochzeitsveranstalter bieten Rabatte von 50 bis 70 Prozent für diese Tage (oder für Samstag, den 17.) an. Meistens vergeblich. Freitag bringt Unglück, weil Jesus an einem Freitag gekreuzigt wurde, aber was hat der Dienstag verbrochen? Martedì ist im Italienischen (und auch in anderen romanischen Sprachen) nach dem Kriegsgott Mars benannt – und was wäre das für ein Omen für die Ehe?
  2. Salz dürft ihr niemals von Hand zu Hand reichen. Stellt das Salzfass auf dem Tisch ab, und der andere muss von dort zugreifen. Mancherorts gilt das auch fürs Olivenöl. Salz verschüttet? Ein ernstes Problem. Aber alles wird gut, wenn ihr eine Prise der verstreuten Kostbarkeit über beide Schultern werft.
  3. Aufgespannte Schirme in geschlossenen Räumen bringen den Tod. Es ist inzwischen auch für mich kaum zu ertragen, im Hausflur meiner Mietwohnung in Deutschland all diese zum Trocknen aufgespannten Regenschirme zu sehen. Ich vermute, das Haus wird in naher Zukunft von einem Kometen getroffen.
  4. Schwarze Katzen bringen auch in Deutschland Unglück, aber meine Frau macht es, wie viele ihrer Landsleute, ganz radikal. Läuft vor ihr eine über die Straße, wartet sie, bis ein ahnungsloser Spaziergänger sie überholt und »den Schicksalsfaden zerreißt«. Auch mit dem Auto fährt sie eiskalt rechts ran und lässt dem Luxusauto aus dem Norden die Vorfahrt.
  5. Niemals zu dritt ein Bett beziehen! Zum Bettenmachen sind zwei Leute genug. Wer es zu dritt macht, riskiert, dass einer der drei krank wird und ein zweiter stirbt. (Nein, ich weiß auch nicht, wie dieser Aberglaube entstanden sein könnte.)
  6. Wer auf einer Treppe beim Hochgehen stolpert, wird bald heiraten. Wer beim Runtergehen stolpert, wird bald Geld verlieren.
  7. Wenn zwei Personen zugleich dasselbe sagen, müssen sie sich hintereinander an Nase, Ohr und Nase berühren, sonst werden sie nie die große Liebe finden.
  8. Eine Gabel fällt zu Boden? Unangekündigter Besuch steht vor der Tür.
  9. Ein Schaukelstuhl soll nicht sinnlos vor sich hin schaukeln, wenn man sich aus ihm erhoben hat. Sonst lädt man böse Geister zum Verweilen ein.
  10. Der Pullover ist links herum angezogen, das Hemd falsch geknöpft? Gut so, das bringt nämlich Glück. Außer vielleicht beim wichtigen Geschäftstermin.
  11. Drei Dinge, die niemals verschenkt oder angenommen werden dürfen: Schuhe, Einstecktücher, Messer. Schuhe laden den Liebsten oder die Liebste zum Fortlaufen ein, Einstecktücher trocknen Tränen, Messer zerschneiden Beziehungen.
  12. Wie schon besprochen, es ist die 17, nicht die 13. Ausnahme: Niemals, wirklich niemals dürfen 13 Personen an einem Tisch sitzen. Das erinnert ans Letzte Abendmahl, und wir wissen ja, wie das für Jesus ausging. Zufälligerweise sind unsere besten Freunde und wir immer 13 Personen und gehen oft gemeinsam essen. Meine Frau löst das Problem mit einer Playmobil-Figur des dreijährigen Sohnes unserer Freunde, welche am Kopfende platziert wird.

Glücksbringer sind in Italien wie in Deutschland das vierblättrige Kleeblatt und das Hufeisen, darüberhinaus wirkt das Reiben von Metall gegen alles Böse; wer also beispielsweise auf der Treppe stolpert und den finanziellen Verlust verhindern will, sollte schnell seinen Autoschlüssel in die Hand nehmen.

Der berühmteste Glücksbringer ist der Corno oder Cornetto, ein rotes Horn, dessen Form an eine Chilischote erinnert. Fast jeder Italiener hat irgendwo so ein Amulett, bevorzugt als Schlüsselanhänger. Der unklare Ursprung dieses Symbols liegt in der Steinzeit; manche vermuten wegen seiner vage phallischen Form, es könnte etwas mit Fruchtbarkeit zu tun haben.

 

Mehr Geschichten gefällig? Zum Beispiel darüber, wie man das Autofahren in Italien überlebt? Hier entlang. Oder warum die Italiener das Ketchup rot gemacht haben und was Zitronen mit der Mafia zu tun haben? Hier und hier gibt es kulinarischen Lesestoff.

Ein Kommentar

  1. […] Die Sache mit der roten Unterwäsche zu Silvester hat sich ja inzwischen rumgesprochen, aber wenn man auf das Jahr 2020 zurückblickt, hat der Brauch nicht sonderlich geholfen. Vielleicht, weil viele Rotträger eine wichtige Sache vergessen haben: Die Unterwäsche muss euch geschenkt werden, sonst ist der Glückszauber verpufft. Also lasst sie euch von eurer Partnerin oder eurem Partner überreichen, das müsste genügen. (Mehr zu den italienischen Silvesterritualen lest ihr hier, und alles über den italienischen Aberglauben steht hier.) […]

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