Der Tote am Strand und die Ölflecken auf dem Hemd: Mediterrane Wochenschau XLVI

Hier kommt der einzige Newsletter, der schon die Badehosen hervorgeholt hat! Der Trick ist nämlich: Manchmal muss man die Dinge einfach erzwingen.

Sonntag, 28. März

Lasst uns über die Dunkelheit reden. Denn endlich gab es eine kurze Corona-Pause in den Medien, und alle redeten über die Zeitumstellung. Ich habe eine Meinung, die ich in meiner Familie völlig exklusiv vertrete – ich werde sogar von meiner Frau angeschaut, als sei ich nicht ganz richtig im Kopf. Meine Meinung ist nämlich folgende: Ich mag Dunkelheit. Ich bin gegen die Sommerzeit, denn ich mag die frühe abendliche Dunkelheit auch im Sommer. Warum hat Dunkelheit eigentlich einen so schlechten Ruf? Ein lauschiger Juliabend im Dunkeln, mit den Laternen der Trattoria, die sich auf der Meeresoberfläche spiegeln: Das wäre doch viel schöner als im Hellen! Außerdem sehen wir alle im Dunkeln besser aus. Und die Ölflecken auf dem Hemd von den allzu schwungvoll aufgezwirbelten Spaghetti vongole bleiben den anderen verborgen.

Alles noch etwas zu hell für meinen Geschmack.

Montag, 29. März

Noch einmal zu Aktenzeichen XY in Grado, was viele Leserinnen und Leser interessiert: Einen halben Meter tief lag die Leiche des Münchner Bäckers, eingewickelt »in grün-blaue Plastikfolie« (Il Piccolo), im Sand von Grado Pineta. Ich stelle mir jetzt vor, wie der Mörder im Januar 2005 in der Nacht da rumgeschaufelt hat. Eine dicke (oder habt ihr schon mal einen schlanken Bäcker gesehen?) 1,80-Meter-Leiche vernünftig tief zu vergraben, das muss man ja auch erst mal schaffen. Zwei Stunden war er da bestimmt zugange. Ob die Leiche während der ganzen Zeit neben ihm lag oder ob er sie erst nach dem Rumgebuddel aus dem Auto holte? Und wie anstrengend musste es sein, einen Leichnam ganz allein aus dem Kofferraum zu wuchten und über den Asphalt bis zum Strand zu schleifen? Und vor allem: Die Leiche lag da ein halbes Jahr; wer weiß, wie viele Leute über sie getrampelt sind, sich über ihr gesonnt oder Frisbee gespielt haben.

Das Rätsel bleibt, warum Aktenzeichen XY den Fall offensichtlich noch einmal aufrollt, wo doch schon 2006 ein Urteil gegen den geständigen Täter gesprochen wurde. Vielleicht hat ja doch jemand beim Vergraben geholfen? Privatdetektiv Stefan M. bleibt dran!

Dienstag, 30. März

Was das gute Essen angeht, lassen Italiener nicht mit sich scherzen, und sie reagieren empfindlich auf Verbesserungsvorschläge. Meine Schwiegermutter musste beispielsweise entsetzt feststellen, dass meine bolognese meinen Töchtern besser schmeckt als ihre bolognese. Also probierte sie von meiner Version und sagte anschließend: »Nicht schlecht. Aber das ist keine echte bolognese.« Ja, so kann man sich rausreden. Übrigens sagen Italiener lieber ragù, denn die bolognese ist eine ganz spezielle Form der Fleischsauce, die… aber das wäre einen kompletten Artikel wert.

Jedenfalls machte mich Kollege Herbert M., der richtigerweise die Pandemie seit Monaten auf einer spanischen Insel abwettert, auf einen US-amerikanischen Tüftler namens Dan Pashman aufmerksam, der nach drei Jahren Experimentieren die perfekte Pastaform gefunden haben will.  

Cascatelli heißen sie. Also, mir sehen sie zu kompliziert aus.

Cascatelli also. Ich hätte sie an Pahsmans Stelle Pashmantelli genannt, denn wieviele Gelegenheiten gibt es schon, unsterblich zu werden?

Und wie lauteten die schlechtgelaunten Überschriften der italienischen Presse? »Jetzt erklären uns schon die Amerikaner, wie man Nudeln macht«. Andererseits: Wir Deutschen sind ja nicht anders, wenn wir über ausländisches Bier reden. Und es ist nur eine Vermutung, aber meine österreichischen Freunde wollen vermutlich auch nicht von einem Franzosen hören, wie man das Wiener Schnitzel perfekt hinbekommt.

Mittwoch, 31. März

Die schlechte Nachricht: Ich bin in den nächsten vier Tagen in einem Hotel eingesperrt und darf tatsächlich nicht vor die Tür. Die gute Nachricht: mit 400 Weinen, die ich zu verkosten habe. Meine Kollegen und ich mussten mit einem negativen Test anreisen, dürfen das Hotel bis zum Ende der Veranstaltung nicht verlassen, essen auf unseren Zimmern und können nur zur Probe selbst in den Konferenzraum runter. Der Konferenzraum ist riesig, wir sind nur zu zehnt. Und natürlich ist die Maske immer vor Mund und Nase.

Ich muss die Einzelheiten der Veranstaltung (Wo bin ich? Welche Weine verkoste ich?) noch geheim halten, aber ich erzähle nächste Woche mehr.

Kurz zu einem Thema, an dem wir nicht vorbeikommen: Ganz Italien ist im Lockdown, aber wie die Deutschen dürfen Italiener auch über Ostern in andere Länder reisen, was – wie in Deutschland – für heftige Proteste gesorgt hat. Deswegen ist seit heute genau geregelt, wie Ein- und Ausreise funktionieren. Für uns gilt: Deutsche müssen sich bei der Einreise nach Italien (für die »triftige Gründe« gelten müssen) in eine fünftägige Quarantäne begeben und einen negativen Covid-Test mit sich führen, der nicht älter als 48 Stunden ist. Aber: Eine fünftägige Quarantäne ist beispielsweise für Langzeiturlauber, Ferienhausbesitzer oder Camper ja kein unüberwindliches Problem. Laut dem italienischen Außenministerium bleibt die 14-tägige Quarantänepflicht für Österreicher allerdings noch bestehen, zumindest bis zum 6. April. Ich halte euch hier auf dem Laufenden.

Donnerstag, 1. April

Gestern haben wir die ersten 60 Weine verkostet. Brutal. Klar, du spuckst alles aus, was ja schon ein Frevel ist, aber bei solchen Degustationen geht es nicht anders. Heute sind 120 Weine dran, um 9 Uhr gleich nach dem Frühstück geht’s los. Das ist zwar Jammern auf hohem Niveau, aber Vergnügungssteuer ist auch nicht fällig. Und: Auch das Spucken in den Napf will gelernt sein. Du darfst nicht aktiv spucken, sondern musst es ganz locker über die Lippen rauslaufen lassen. Mein Tisch sah nach dem ersten Tag aus, als hätte man ein Schwein geschlachtet. Sehr peinlich. Vor allem, weil man mich ja offenbar für einen Weinexperten hält. Unter den Kollegen sind ein paar echte Schwergewichte dabei, und nach zwanzig Jahren in Italien bin ich zwar kein Volltrottel mehr, doch ich bin mir nicht sicher, in welcher Liga ich wirklich spiele.

Würden Sie diesem Herrn ein Urteil über diese Weine abkaufen?

Aber dann ist mir natürlich auch völlig klar, dass unter Weinexperten genau so viele Blender zu finden sind wie in allen anderen Bereichen des Lebens. Es gibt ja das berühmte Experiment mit 54 Önologie-Studenten, denen man einfach ein rot gefärbtes Glas Weißwein vorsetzte und die daraufhin den Wein mit typisch »roten« Geschmacksrichtungen beschrieben: »Kirsche«, »Himbeere«, »Zedernholz«. Derselbe Wein wurde, ohne Lebensmittelfarbe, mit den Attributen »Honig«, »Zitrone« und »Pfirsich« versehen. Das Experiment sorgte für schwere Erschütterungen in der Weinwelt.

Freitag, 2. April

Na, was sagt ihr? Dieser Badehosentrick vom Beginn des Newsletters hat in dieser Woche mit ihren sommerlichen Temperaturen ja erstklassig funktioniert!

Jetzt aber zu den drei Fundstücken fürs Wochenende.

Erstens: acht Tipps über das Schreiben von Roald Dahl (auf Englisch). Bonus: ein kleiner Film über ihn und seine Schreibhütte.

Zweitens: Das Containerschiff Ever Given ist befreit. Aber wie würde es sich in eurem Baggersee machen? Oder im Hamburger Hafen (wo es ja schon mal für Aufregung gesorgt hat?)? Das ist ein sehr lustiges Online-Spiel, das mit Google-Maps funktioniert. Ihr könnt das Schiff sogar drehen, vergrößern und verkleinern. Ich habe die Ever Given gleich mal (in Originalgröße) nach Grado und Venedig geschickt.

Überraschung: Grados Fischerhafen ist knapp zu klein.
Und hier liegt die Ever Given vor dem Markusplatz.

Im Übrigen: Wir alle machen ja Fehler in unserem Job. Aber wie wird sich der Kapitän fühlen, wenn er in ein paar Monaten zurückkommt und zum Gespräch gebeten wird? »Ja, tut mir leid, Chef, kommt nicht wieder vor. Und wegen den 24 Milliarden Euro Schaden für die Weltwirtschaft, also, ich würd’s verstehen, wenn Sie mir das Weihnachtsgeld streichen.«

Drittens: Hier kommt coole Musik, um euch ans Mittelmeer zu träumen. (Und falls ihr ein cooles Buch für Mittelmeerträume braucht – na, ihr wisst schon.) Die Bandmitglieder von Quadro Nuevo sind über Jahre durch den Mittelmeerraum gezogen und haben die Melodien aufgegriffen und verarbeitet. Das Album »Mare« ist wirklich eine Wucht! Hört auch mal auf iTunes rein.

Ihr seid bereit für die Alpenüberquerung? Alle neuen Entwicklungen rund um euren Italienurlaub stehen hier.

Zur vorigen Wochenschau mit dem legendären Hühnerkrieg? Hier entlang.

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Die nächste Wochenschau erscheint am 9. April – euch allen frohe Ostern!

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