Hier kommt der einzige Newsletter, der bei Schneefall am Strand war! Und der sich völlig umsonst den Hintern abgefroren hat, denn die Flocken wollten nicht liegen bleiben. Mistviecher!
Samstag, 3. April
Ich lehne mich mal ganz weit aus dem Fenster: Flott bekommen die das Boot nicht mehr.

Ostersonntag, 4. April
Bevor es zum großen Osterschlemmen geht, bin ich soweit ausgenüchtert, dass ich euch noch einmal von der Verkostung Nebbiolo Prima erzählen kann. Sie findet jedes Jahr in Alba im Piemont statt, und zehn Kollegen und ich bekamen die neuen, für den Markt freigegebenen Nebbiolo-Weine zum Kosten: Roero 2018, Barbaresco 2018, Barolo 2017 und Riservas. 400 Degustationen in dreieinhalb Tagen.
Mein Kollege Christian Wenger saß neben mir. Er schrieb und schreibt in Stern, Wein-Gourmet, Feinschmecker, Manager Magazin und der Financial Times und versteht wirklich etwas von Wein. Er gab mir den Tipp, zwischendurch nicht stilles Wasser, sondern Sprudelwasser zu trinken, das reinigt Zunge und Gaumen besser von den taubmachenden Tanninen. Wenger lebt in der Nähe von Barolo mit eigenem 6-Hektar-Weinberg. Alles richtig gemacht!
Falls ihr übrigens mal bei Gérard Depardieu eingeladen seid, der ja laut Selbstauskunft elf bis vierzehn Flaschen pro Tag trinkt, könnte die Sache mit dem Sprudelwasser ein Tipp sein, der zumindest eure Geschmacksnerven rettet. Bevor ihr dann den Blindenhund bestellt.

Die Verkostungen finden in völliger Stille statt; wenn überhaupt, wird sich nur im Flüsterton unterhalten. Selbst das versehentliche Anklingen der Gläser wird ungern gehört. Und gleich am ersten Tag tat mir die Sommelière einen riesigen Gefallen: Eine der Weinflaschen rutschte ihr aus der schwarzen Hülle (Blindverkostung) und schlug auf meinem Tisch ein, zerbrach zwei Gläser und suppte den Notizblock durch. Es war ein enormes Getöse in der klösterlichen Stille. Ich bin deswegen froh, weil ich mir sicher war, dass so etwas Ähnliches im Verlauf der vier Tage mir passieren würde.
Sie war völlig niedergeschlagen, aber ich munterte sie auf: »Kein Wunder, bei 400 Flaschen und zehn Journalisten sind das ja 4000 Nachschenkungen. Da ist es doch logisch, dass früher oder später…«
Doch sie unterbrach mich untröstlich: »Das ist mir in zwanzig Jahren noch nie passiert.«
Was ich großartig fand: Der berühmte italienische Weinkritiker Daniele Cernilli fragte mich, woher ich sei. Ich sagte: Deutschland. »Woher genau?« Norddeutschland. Dabei belasse ich es meistens, denn welcher Italiener kennt schon Braunschweig? »Welcher Ort?« hakte Cernilli nach. Also sagte ich es ihm. Dieser sperrige Name würgt jede weitere geografische Ausführung für gewöhnlich ab. Doch Cernillis Augen leuchteten auf, und er rief (wir saßen Covid-bedingt zwei Tische entfernt): »Eintracht Braunschweig!« Jawohl, er war ein Fußballfan! Und sofort fing ich an, von der langen und wechselvollen Geschichte Eintracht Braunschweigs zu referieren, was aber unverständlicherweise dann doch keiner hören wollte.
Sperrige Namen sind allgemein von Vorteil. So ist ja Gianluigi Buffon, Torhüter von Juventus Turin und der italienischen Nationalmannschaft, erklärter Fan von Borussia Mönchengladbach, einfach nur deswegen, weil er den Namen so bemerkenswert exotisch findet. Ich bin dagegen ein Fan einiger britischer Vereine, nur wegen des Namens: von West Bromwich Albion, von Crystal Palace (»Komm, wir gehen heute ins Stadion, Kristallpalast kommt!«), von den Queens Park Rangers und vor allem von dem schottischen Heart of Midlothian – hinter dem sich der Stadtverein von Edinburgh verbirgt.
Ostermontag, 5. April
Ostersonntag heißt Pasqua, Ostermontag heißt Pasquetta, also »Österchen« oder »kleines Ostern«. Das Adjektiv »klein« wird konterkariert von den Bergen guten Essens, die zu Pasquetta italienweit die Tische durchbiegen. Denn zum einen gibt es die Reste vom Ostersonntag, denn traditionell wird für dreimal so viele Gäste gekocht wie tatsächlich anwesend sind. Zum anderen ist es aber auch eine Frage der Ehre, nicht nur Übriggebliebenes zu servieren, und deswegen wird zusätzlich komplett neu aufgekocht, natürlich wiederum für eine Schattenarmee von Gästen, die nie erscheint. Und das bedeutet, dass es zwei komplette Speisefolgen gibt. Kombiniert mit den nach wie vor geschlossenen Fitnessstudios möchte ich daher eine kurze Warnung aussprechen: Ich bin mir nicht sicher, ob es in diesem Sommer zur Bikinifigur reicht.

Dieses Prachtstück hat mir der Osterhase gebracht. Ah, die glorreichen Achtzigerjahre! Ich fühle mich so cool, dass ich es kaum aushalte.

Dienstag, 6. April
In Grado gibt es heute nur ein Thema: Schnee! Es hat heute Vormittag tatsächlich geschneit, dazu stürmt es wie verrückt, und der Schnee tat uns nicht mal den Gefallen, wenigstens fürs Foto kurz liegen zu bleiben. Dabei hatten wir letzte Woche und am Osterwochenende (wie ihr ja an den Bildern seht) schon frühsommerliche Temperaturen weit über 20 Grad.

Mittwoch, 7. April
Gute Nachrichten von der Quarantänefront: Auch Österreich wird jetzt wieder wie die anderen EU-Mitgliedsstaaten behandelt: Österreicher, die nach Italien einreisen, müssen ab heute nur noch fünf Tage in Quarantäne und nicht mehr zwei Wochen. Ein Kurzurlaub geht sich damit zwar immer noch nicht aus, aber es ist ja schon deutlich besser als eine 14-tägige Stubenhockerei. Ausgenommen davon sind allerdings Reisende aus dem Bundesland Tirol. Alles Weitere lest ihr wie immer hier.
Donnerstag, 8. April
Heute habe ich einen Brief von der Rektorin des Gymnasiums bekommen, bei dem ich vor zwei Wochen als Interviewpartner zu Gast war, mit beeindruckendem Briefkopf und allem. Sie dankte mir wortreich für meine Zeit und meine Verfügbarkeit, und ich hätte mit meiner Zoom-Plauderstunde den harten Lockdown-Alltag für die Lehrerinnen und die Schüler etwas erträglicher gemacht. Klar, das Meiste davon schrieb sie bestimmt nur aus Höflichkeit, aber ich gebe zu, dass ich danach sehr gute Laune hatte. Vielleicht sollten wir öfter mal was Nettes tun?
Freitag, 9. April
Aufregende Zeiten, denn wenn ihr nächste Woche den Newsletter bekommt, dann ist das Italien-Prinzip schon erschienen. Die ersten drei Wochen bekommt ihr es gedruckt oder als E-Book zum Sonderpreis, aber ich melde mich noch mal rechtzeitig.
Drei Fundstücke dieser Woche:
- Hier singt Conny Froboess den Schlager »Zwei kleine Italiener«. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 1962. Meine jüngste Tochter nimmt das Lied gerade im Deutschunterricht durch, und ich bekomme es nicht mehr aus dem Kopf. Möge es euch auch so gehen!
- Eine unglaublich lustige Seite über den Wiener Fußballjargon. Die Seite stammt erkennbar aus den Frühzeiten des Internets, aber gute Grafik ist ja auch überschätzt. Hier kommen ein paar Beispiele:
»Hundert Jahre Stein«: Spieler einer Mannschaft, über die man mutmaßt, dass sie in Summe schon 100 Jahre in der Strafanstalt von Stein an der Donau (Gefängnis für Schwerverbrecher) inhaftiert waren. Aussprache für alle Nichtwiener: »Då schbüün huundad jåaa schdaa!« = »Da spielen hundert Jahre Stein!«
»Bremsendieb«: Spieler, der seine Mannschaft durch einen schweren Fehler um die Siegprämie bringt. Der Ausdruck wird auch verwendet, wenn gar nicht um Prämien gespielt wird.
»Badkicker«: balltechnisch nicht unbeschlagener, aber (wegen schwacher Kondition, mangelndem Körpereinsatz, fehlendem Spielverständnis) ineffektiver Fußballer. Erklärung: In vielen Wiener Sommerbädern gibt es Wiesen, auf denen sich Badegäste meist barfuß und bei hohen Temperaturen zu einem entsprechend gemütlich geführten Fußballspiel zusammenfinden.
»gaberln«: den Ball durch ständiges Hochstoßen mit Füßen, Oberschenkeln, Kopf, Schultern usw. (aber ohne Zuhilfenahme von Armen und Händen) in der Luft halten. Heißt bei uns in Norddeutschland übrigens »tengeln«.
»kein Leibchen reißen«: keine Chance haben. Aussprache: »Gäägng dää rÄÄßz ääs ghaa~lÄÄwal!«
Ich werde in den nächsten Wochen mal italienische Fußball-Redensarten sammeln, dieser Sport ist ja definitiv eine Fundgrube.
- Und jetzt noch was fürs Auge: »Super 30« – was ist das denn bitte für ein großartiger Film? Hier ist der Trailer.
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Ihr seid bereit für die Alpenüberquerung? Alle neuen Entwicklungen rund um euren Italienurlaub stehen hier.
Zur vorigen Wochenschau mit Aktenzeichen XY in Grado? Hier entlang.
Alles über den mythischen Hühnerkrieg von Pordenone? Hier entlang.
Zurück zur Startseite? Bitteschön.
Wenn ihr diesen Newsletter als Mail bekommen habt, leitet ihn gern an italophile Bekannte weiter. Würde mich freuen!
Die nächste Wochenschau erscheint am 16. April. Versprochen: Es wird!
[…] Die aktuelle Mediterrane Wochenschau steht hier. […]
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[…] letzte Wochenschau? Voilà. (Ja, wir blicken sprachlich auch über […]
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